Geschichte Willstätt

Martin Ruch: Hüter der alten Akten

Nina Saam
Lesezeit 4 Minuten
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13. August 2018

Martin Ruch. ©Nina Saam

Im Keller der Willstätter Grundschule lagert das Archiv der Gemeinde. Zwei Tage in der Woche ist dort unten der Historiker Martin Ruch zugange, um die Bestände zu sichten und systematisch aufzuarbeiten. Dabei lässt sich allerlei Interessantes finden.

Mit Martin Ruch, der seit 26 Jahren in Hesselhurst lebt, hat Willstätts Hauptamtsleiter Andreas Leupolz jemanden gefunden, der nicht nur mit der Gemeinde vertraut ist, sondern auch Ahnung von der Materie hat. Als ehemaliger Leiter des Offenburger Museums im Ritterhaus und Redakteur der »Ortenau«, der Jahresbände des Historischen Vereins Mittelbaden, ist Martin Ruch auch mit der Geschichte der Region bestens vertraut.

Fachmann Willstätter Geschichte

Im Jahr 2000 hat er mit dem damaligen Bürgermeister Artur Kleinhans den Kinzigpfad angelegt. Die Texte auf den Infotafeln der etwa 20 Stationen, zu den Flößern, den Sandziehern oder dem Willstätter Pferderennen auf den Kinzigwiesen, stammen aus seiner Feder. »Schon damals habe ich angefangen, mich mit der Geschichte Willstätts auseinanderzusetzen«, so Martin Ruch. Und natürlich auch mit dem Leben des berühmtesten Sohns der Gemeinde, Johann Michael Moscherosch. So war auch Andreas Leupolz auf ihn gekommen, weil er jemanden suchte, der die Moscherosch-Ausstellung betreut, die im Rathausfoyer eingerichtet werden soll. Daneben soll der 68-jährige Historiker so etwas wie ein Inhaltsverzeichnis des Gemeindearchivs anlegen. 

Bestandsaufnahme

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Bereits in den 1950er-Jahren sind die alten Akten gemäß der Archivordnung des Landes sortiert worden. Nun gilt es, eine Bestandsaufnahme zu machen. Jeden Aktenstapel nimmt Martin Ruch zur Hand und gräbt sich durch alte Gemeinderechnungen, Zunftprotokolle und Bannbücher. Die älteste Rechnung stammt aus dem Jahr 1614. Scheinbar mühelos liest Martin Ruch aus den in der alten deutschen Schrift mit schwungvoller Feder verfassten Schriftstücken vor – da geht es um Landverkäufe, Tafeln fürs Schulhaus oder Zahlungen an Arme. Aus den Eintragungen lassen sich viele Rückschlüsse auf das damalige Leben ziehen: Aus dem Versicherungsbuch der Gemeinde geht hervor, dass der Gemeindepfarrer anno 1847 neben einem Klavier und fünf Wand- und Taschenuhren auch 100 Sester Kartoffeln und einen silbernen Vorlagelöffel besaß. In einem Gemeinderatsprotokoll aus dem 19. Jahrhundert wurde festgestellt, dass das Betteln im Ort überhand nimmt, »und zwar meist von Kindern, welchen es gänzlich untersagt ist, indem solches zur Unmoralität führt«. Die Straf-Tabelle der Gemeinde führt zur selben Zeit Straftatsbestände wie »Grumbirnen im Feld geholt«, »Übersitzen im Bierhaus« und »Nachtschwärmerei« auf. Und am 7. April 1933 beschloss der Gemeinderat, Adolf Hitler zum Ehrenbürger zu ernennen.

Jüdische Gemeinde

»Das Archiv ist das Gedächtnis einer Gemeinde«, sagt Martin Ruch. »Wenn man das nicht bewahrt, geht vieles verloren.« In den Akten finden sich auch Hinweise auf eine kleine jüdische Gemeinde in Willstätt. Einige jüdische Familien zogen um 1720 ins liberalere Karlsruhe um und nahmen den Namen ihres Herkunftsortes an. Ein Abkömmling dieser Familien ist der Chemiker Richard Willstätter, der 1915 für seine Arbeiten im Bereich der Biochemie den Nobelpreis bekam. Doch es gibt auch Akten im Archiv, die es nicht wert sind, aufgehoben zu werden, alte Bundesgesetzblätter zum Beispiel oder endlose Reihen von Leitzordnern mit amtlichen Vorgängen aus den 1970er-Jahren. »Das nimmt nur Platz weg«, sagt Martin Ruch. »Das gibt es inzwischen alles digital.« Dennoch muss er auch diese Ordner durchblättern, um zu sehen, ob sie nicht doch irgendetwas enthalten, was in Schriftform archiviert werden muss. 

Ob er damit noch fertig wird?

Er hält sich lieber an die großen Rollregale mit den alten Akten, in denen die jeweiligen Amtsmänner vor 200 oder 300 Jahren akribisch die Vorgänge in der Gemeinde protokollierten. Zweimal in der Woche taucht Martin Ruch in die »Katakomben« des Archivs ab und in das Willstätter Leben der vorherigen Jahrhunderte ein. »Natürlich finde ich das interessant, sonst würde ich das ja nicht machen«, sagt er. »Aber ich fürchte, ich werde damit nicht mehr fertig in meinem Restleben.« 

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