Mentoringprogramm „Balu-und-du“ endet im Juni
Am Wasserband toben, Kuchen backen oder auch einfach spazieren gehen: Die achtjährige Maryam ist glücklich, wenn sie mit der Studentin Melina Zeit verbringen kann. Das bundesweite Mentoringprogramm „Balu-und-du“ des gleichnamigen Vereins soll Grundschulkinder in ihrer persönlichen Entwicklung fördern. Seit 2019 beteiligt sich die Stadt daran. Die Betreuung von städtischer Seite übernimmt die Bildungskoordinatorin Aurore Wenner, die davon überzeugt ist, dass Schützlinge und Mentoren gleichermaßen von der Erfahrung profitieren.
Mogli und Balu
Schüchtern sei Maryam beim ersten Treffen gewesen, erzählt Melina Marx. „Sie hat aber“, sagt die Studentin der Hochschule Kehl, „schnell Körperkontakt zu mir gesucht, meine Hand genommen. Das hat mich sehr gefreut.“
Bei dem Programm, das nach den beiden Hauptfiguren des „Dschungelbuchs“ benannt ist, werden die Mentoren, die sogenannten Balus, mit Moglis, also Kindern zwischen sechs und zehn Jahren, zusammengebracht, die in herausfordernden Umständen aufwachsen und sich über Zuwendung außerhalb der Schule freuen – die Gründe dafür können ganz unterschiedlich sein, weiß Aurore Wenner.
Die Lehrer der kooperierenden Schulen schlagen Kinder vor, die für das Programm infrage kommen, informieren die Eltern über die Initiative und treten nach deren Zusage mit Aurore Wenner in Kontakt.
Durch ihre Balus bekommen die Jungen und Mädchen einen anderen Blick auf das Leben, sagt Aurore Wenner. Die Mentoren in Kehl kommen alle von der Hochschule Kehl, an der die Teilnahme an „Balu-und-du“ ein Fachprojekt ist. Auch die Hochschüler profitieren von ihrer Teilnahme am Programm. Die angehenden Beamten bekommen dabei ein Gespür für die Schwierigkeiten von Kindern, die nicht immer nur unter für sie glücklichen Umständen aufwachsen, glaubt Aurore Wenner.
Daneben erwerben die Balus auch Fähigkeiten wie Zuverlässigkeit, Eigenverantwortung, Durchhaltevermögen, Kreativität, Empathie, Problemlösungskompetenz oder selbstständiges Handeln.
Schnell Bindung aufgebaut
„Als ich von dem Programm erfahren habe, wollte ich sofort dabei sein“, erzählt Melina Marx. Besonders überrascht habe sie, dass man so schnell eine Bindung zu jemandem aufbauen kann, den man vorher überhaupt nicht kannte. Glücklicherweise hat das bestimmende Thema der vergangenen Jahre, die Corona-Pandemie, die gemeinsame Zeit von Melina und Maryam nicht allzu stark beeinträchtigt.
Melina erzählt, dass Maryam die Maskenpflicht manchmal als störend empfand und dass die ein oder andere gemeinsame Aktivität ausfallen musste, etwa ein Besuch im Tierheim. Gemeinsame Stunden zu zweit, sei es bei einem Spaziergang im Garten der zwei Ufer oder beim Backen, waren glücklicherweise aber immer möglich. Bei diesen Treffen reden die beiden dann über Themen, die Maryam beschäftigen.
Manche brauchen Zeit
Nicht immer läuft es so rund wie bei Maryam und Melina, weiß Aurore Wenner. Manche Kinder, so sagt sie, benötigen Zeit, um Vertrauen zu den Balus fassen zu können, genauso wie ihre Eltern. Um solche Startschwierigkeiten abzumildern und den Bedürfnissen der kleinen Moglis gerecht werden zu können, spricht Aurore Wenner mit allen Beteiligten, bevor sie ein Paar zusammenbringt. Manchmal passt das perfekt.
Sie berichtet, wie ihr ein Mogli von ihrem Traum, auf einem Pferd zu reiten, erzählt hat. Das Problem: Eigentlich hatte das Mädchen Angst vor den großen Tieren. Mithilfe ihres Balus, die selbst Reiterin ist, konnte das Mädchen diese Angst Schritt für Schritt überwinden und saß vor einiger Zeit zum ersten Mal auf dem Rücken eines Pferdes.
Auch Maryam konnte sich durch die Treffen mit Melina weiterentwickeln. Melina Marx erzählt, dass die Grundschülerin sich trotz ihrer Höhenangst auf die Passerelle traute. Außerdem sei Maryam selbst aufgefallen, dass sich ihre Deutschkenntnisse durch die regelmäßigen Gespräche mit Melina verbessert haben.
Aurore Wenner betont, dass das Wichtigste sei, dass die gemeinsame Zeit einfach Spaß macht. Nur so könne es gelingen, dass Mentoren und Schützlinge dauerhaft durchhalten und voneinander lernen können.
Abschlussfest im Juni
Für Melina und Maryam war das schönste Erlebnis das gemeinsame Spielen mit einem anderen „Balu-und-du“-Gespann am Wasserband. Aurore Wenner findet es gut, wenn die Paare untereinander Kontakt aufbauen, weil es die Chance erhöht, dass „etwas Dauerhaftes von ,Balu-und-du‘ bleibt“, wie sie sagt.
Deswegen freut sie sich auch darüber, dass im Haus der Jugend eine gemeinsame Weihnachtsfeier mit Lagerfeuer und Spielen stattfinden konnte. Auch den Programmabschluss im Juni will Aurore Wenner gemeinsam mit allen Projektbeteiligten und den Eltern der Moglis an der Hochschule feiern.
Das Ende des Programms bedeutet aber nicht das Ende des gemeinsamen Weges. Melina Marx ist fest entschlossen, den Kontakt mit Maryam zu halten, auch wenn sie Kehl für die Praxisphase ihres Studiums verlassen wird.