Michael Hall spricht im Salon Voltaire
»Dear Deutschland« hat Michael Hall sein Buch genannt, der von 1991 bis 1996 als britischer Konsul in Frankfurt lebte. In seiner Lesung beleuchtete er mit einem Augenzwinkern seine temporäre Heimat, das diplomatische Leben und seine Begegnungen mit den Deutschen.
50 kleine Kurzgeschichten hat Michael Hall in seinem Buch versammelt, von denen er am Donnerstag im Salon Voltaire einige in englischer Sprache vortrug. Was ist das typisch Deutsche, das einem Briten auffällt? Ordnung und Sauberkeit natürlich – und dass alles »richtig« zu sein hat. So ist das Lenkrad in seinem Saab mit britischer Zulassung für die Deutschen nicht einfach auf der anderen Seite, sondern auf der »falschen« Seite. Und wer auf der falschen Seite an einem Auto herumnestelt, wird für einen Automarder gehalten, wie er nun nach einer Begegnung mit Frankfurter Ordnungshütern weiß. Und als er zu einem offiziellen Dinner mit einer Beule erscheint, die er sich an einer Glastür am Parkhausausgang geholt hat, gibt ihm sein Tischnachbar mitleidig zu verstehen, dass man sich in Deutschland nicht darauf verlassen kann, dass man Fensterscheiben sieht: »Die sind hier nicht so dreckig wie in England.«
Immer mit einer Partie Schalk im Nacken hat sich Michael Hall über die Jahre skurrile Begebenheiten notiert, die zum Schmunzeln verführen: Sei es die Krisensitzung im Konsulat anlässlich der Zuständigkeit für die Beseitigung der unappetitlichen Hinterlassenschaft eines um Hilfe nachsuchenden Briten, der sich im Fahrstuhl übergeben musste, oder die schamlose Ausnutzung seines Diplomatenstatus, als er einst bei Karstadt ein paar Union Jacks mitgehen ließ, um eine britische Warenmesse damit auszuschmücken. Als er seine skeptischen Begleiter mit dem Hinweis auf seine diplomatische Immunität beruhigte, ertönte hinter einem Kleiderständer eine Stimme: »Können Sie nicht auch einen Mantel für mich stehlen?«
Und was passiert, wenn man als britischer Diplomat dem örtlichen Kricketteam wegen anders gelagerter sportlicher Interessen eine Absage erteilt und stattdessen Anschluss an den Ruderverein »Germania« sucht? Man wird in ein Boot namens »Deutschland« gesetzt – und zerbricht als erstes das Ruder. Beim nächsten Ausflug wird der sabotierende Brite in einen schwergängigen Strafkahn versetzt. »Das wäre nicht passiert, wenn ich zu den Dornbusch Grashoppers gegangen wäre«, resümierte Hall.
So leicht und humorvoll er über seine Jahre in Deutschland berichtet, so ernst ist ihm die Realität: Hall outete sich als erklärter Gegner des Brexit, der der Abstimmung des britischen Unterhauses über den mühsam ausgehandelten Vertragsentwurf mit Sorge entgegensieht. Sowohl die Brexit-Hardliner als auch die Pro-Europäer lehnen den Entwurf ab, alles scheint möglich, sagte er: Zustimmung, ein Crash-Out, Neuwahlen. »As you say in Germany: Ich bin gespannt«, so Hall. In der folgenden Diskussion lieferte er noch einiges Insiderwissen über Gegner und Befürworter, die Rolle der Presse und mancher Politiker (»Boris and other Superlügner«).
Zudem wies er auf die Gefährlichkeit von Referenden hin. Viele hätten für den Brexit gestimmt, um ihren allgemeinen Unmut auszudrücken – der mit der Sache eher wenig zu tun hatte.
Ein solches Verhalten kennen wir auch in Deutschland.