Mundart-Abend in Neumühl
Im Neumühler Erzählcafé ging es am Dienstag alemannisch zu: Auf der Bühne standen Ulrike Derndinger und Heinz Siebold.
Hochdeutsch kann doch jeder – aber Alemannisch ist die Mutter- und Vatersprache der Region: Direkt, ungeschminkt, hinter- und tiefgründig. Am Dienstagabend amüsierten sich die Zuhörer über die unterhaltsamen Vorträge des Mundart-Duos Ulrike Derndinger und Heinz Siebold, das über Geschichten schwätzte und sang, die das Leben schrieb und schreibt.
Die Journalistin Uli Derndinger präsentiert ihre Geschichten in alemannischer Mundart, überwiegend aus der eigenen Erfahrung der bäuerlichen Heimat heraus – sie selbst ist auf einem »Burehof« groß geworden. Das Schreibtalent lag ihr schon früh im Blut, was ihr Vater nie verstehen konnte. Er brauchte für ein Wort eine Ewigkeit, und bei mehreren Wörtern setzte er hinter jedes Wort ein Komma. Der »Hefezopf« bestimmte dagegen das Leben ihrer Mutter. Nach dem Tod bekam sie statt einem Stein einen gemeißelten Hefezopf aufs Grab, geschwungen und auch hin und wieder etwas aus der Form geraten, sollte er sein.
Amüsant waren die Geschichte vom letzten heimischen Wirtshaus, in dem ein Chinarestaurant Einzug gehalten hat. Dort gibt es »geschnitzte Karotten« und »Pappreis«. Man wagte doch einmal einen Besuch beim »Chinesen«, doch welche Überraschung: Es wurde eine »Bollesupp« mit chinesischen Gewürzen serviert; allerdings so scharf, dass beim Essen das Wasser in die Augen stieg. Seitdem bringt man zum Schwitzen das eigene Taschentuch mit. Es gibt auch die verzweifelten Deutsch-Russen, wie »de Wladimir«. Als KfZ-Mechaniker sucht er verständnislos nach den »Kärre«, bis ihm klar wird, dass es sich dabei um Autos handelt. Herrlich ist auch die Frisörin, eine Alemannen-Kanadierin, die schon lange in Lahr lebt und wegen ihres Kauderwelschs einen Besuch wert ist. »Ich tu to many speek und babble, gell?«
Szenen aus dem Alltag
Dazwischen erzählt Heinz Siebold immer wieder auf humorvolle Art seine Alltagsszenen mit Gesang und Gitarrenbegleitung im süd-alemannischen Dialekt. Der Journalist beleuchtet die Menschen und ihre Eigenart, amüsant waren seine typischen Ausdrücke: »Doddelewetter«, ein gutes Wetter, da heißt es: »Go us dem Huus«. Er geht samstags gerne auf den Markt zum Einkaufen und natürlich zum Schwätzen. Er singt seine Lieder mit dem knorzigen »ch«, charakteristisch für den hochalemannischen Dialekt. Seine Heimat ist im Wiesental, das an der Schweizer Grenze liegt. Man musste schon genau hinhören, um den Wortlaut und den Sinn in seinen Liedern zu verstehen, denn sein südalemannischer Dialekt grenzt deutlich an das Schwyzerdütsch.
Das Ehepaar Derndinger-Siebold verdeutlichte an dem Abend: Die Heimatidylle vergangener Jahrhunderte hat Risse bekommen, die Mundart ist im Alltagsgebrauch auf dem Rückzug. Immer wieder zustimmendes Nicken und wohlwissende Blicke der Zuhörer, denn die Geschichten und Lieder regten zum Nachdenken an und weckten Erinnerungen an die eigene Kindheit. Es wurde aber auch viel gelacht an diesem kurzweilige Abend im Neumühler Erzählcafe.