Neue Aufnahme der Kehler Synagoge entdeckt

(Bild 1/2) Eine seltene Außenaufnahme der Kehler Synagoge. ©Stadt Kehl
An der blauen Stele an der Ecke Schulstraße und Kasernenstraße erinnert das Foto ab sofort eindrücklich an die Spuren jüdischen Lebens, die das NS-Regime gewaltsam aus dem Kehler Stadtbild entfernt hat.
Auf Umwegen ist das Bildmotiv in den Fundus des Stadtarchivs und damit zu dessen Leiterin Ute Scherb gelangt, wie die Stadtverwaltung in einer Pressemitteilung erklärt. Ausgangspunkt war ein Bericht des Gymnasiallehrers Uli Hillenbrand über die Kehler Synagoge in den Dernières Nouvelles d’Alsace, einer elsässischen Tageszeitung, verbunden mit dem Aufruf, dem Kehler Stadtarchiv Fotos, Dokumente und Zeitzeugnisse zum Aussehen der Synagoge und zum Leben der jüdischen Gemeinde in der Rheinstadt zukommen zu lassen.
Letztlich erhielt der Arbeitskreis 27. Januar einen Hinweis, dass eine Postkarte mit dem Motiv der Kehler Synagoge existiert und diese in einem französischsprachigen Postkartenforum online gehandelt wurde. Der Käufer der Ansichtskarte ließ sich zwar nicht ermitteln, allerdings existiert ein digitaler Abzug. Und diesen hat das Stadtarchiv nun im Zugriff. Zu sehen ist die Außenaufnahme auf der Erinnerungsstele an der Ecke Schulstraße und Kasernenstraße.
Hintergrund: Gedenktafel
Die blaue Gedenktafel war auf Initiative des Arbeitskreises 27. Januar anlässlich des 80. Jahrestags der Deportation jüdischer Mitbürger in das französische Internierungslager nach Gurs am 22. Oktober 1940 am früheren Synagogenstandort aufgestellt und ist nun um das Foto ergänzt worden. Die umgestaltete und damit aktualisierte Stele ist ein Beitrag der Stadt und des Arbeitskreises 27. Januar zum Auschwitz-Gedenktag.
Realisiert wird die Neugestaltung mit Unterstützung der Familie Rubinstein aus den USA. Tamar Rubinstein ist eine Urenkelin von Fanny Bensinger, die am 22. Oktober 1940 von Bodersweier aus nach Gurs deportiert wurde, wo sie noch im selben Jahr unter entsetzlichen Umständen starb. Im Sommer 2022 besuchte die Familie Rubinstein Kehl und besichtigte dabei auch den ehemaligen Synagogenstandort.
Zur Kehler Synagoge
Vor mehr als 130 Jahren, im Februar 1889, konnte die damalige israelitische Gemeinde in Kehl in der Innenstadt ein Grundstück an der Ecke Kasernenstraße und Schulstraße für 4000 Mark erwerben. Bereits im April desselben Jahres wurde unweit der Friedenskirche der Grundstein für das neue Gotteshaus gelegt. Die Stadt Kehl förderte den Bau mit 400 Mark. Höhere Zivilbeamte, so berichtet es die Zeitschrift „Der Israelit“ im Nachgang am 25. April 1889, wohnten der Grundsteinlegung bei. Am 20. September 1889 wurde der rote Sandsteinbau mit goldenem Schriftzug in Hebräisch und Latein über dem Eingangstor errichtet.
Bis dahin nutzte die jüdische Gemeinde einen Betsaal an der Rheinstraße. Das Verhältnis der drei Konfessionen (katholisch, protestantisch und jüdisch) beschrieb der katholische Pfarrer Carl Jung zum damaligen Zeitpunkt als „friedlich“.
Am Tag nach der Reichspogromnacht, am 10. November 1938, trieben Mitglieder der Gestapo, der SS, Grenzpolizisten, aber auch Kehler jüdische Mitbürger durch die Straßen, bespuckten, beschimpften, demütigen und misshandelten sie. Die NS-Schergen drangen in die Synagoge ein, verwüsteten das jüdische Gotteshaus und raubten Kunstgegenstände. Verwaist und demoliert wurde der Sandsteinbau 1943 schließlich abgerissen.