Prävention von Gewalt
Im Rahmen des Aktionsmonats gegen Gewalt an Frauen war Margrit Brückner in der Hochschule Kehl zu Gast. In ihrem Vortrag „Geschlechterverhältnisse zwischen Liebe und Gewalt und die Bedeutung der Frauenhausbewegung“ zeigte sie auf, wie schnell Liebe in Gewalt umschlagen kann – quer durch alle Schichten und Kulturen. Meist sind es Frauen, die Gewalt durch ihren Partner erleiden. „Eine EU-weite Untersuchung hat ergeben, dass etwa fünf Prozent aller Frauen schon einmal durch häusliche Gewalt behandlungsbedürftige Verletzungen erlitten haben“, sagte die Professorin, die als Pionierin der Frauenhaus-Arbeit gilt. Aber auch queere Männer erleiden überdurchschnittlich oft Gewalt – zumeist durch andere Männer, die mit deren Homosexualität nicht klarkommen.
Begünstigt wird geschlechtsspezifische Partnergewalt, wenn ein Ungleichgewicht besteht, sei es ökonomisch oder kulturell („ich bin der Mann, ich habe das Recht dazu“). Oft sind es auch erlernte Muster – wenn Täter und/oder Opfer in der Kindheit erlebt haben, wie Konflikte mit Gewalt „gelöst“ wurden.
2023 haben 168.000 Menschen in Deutschland Partnergewalt erfahren – und in der Hälfte der Fälle waren Kinder anwesend, so Brückner. Und das seien nur die Fälle im Hellfeld, die Fälle, die dokumentiert wurden. Die Dunkelziffer ist ungleich höher.
Lange ein Tabu
Bis zu den 1970er-Jahren war das Thema ein gesellschaftliches Tabu. 1976 wurde das erste deutsche Frauenhaus in West-Berlin gegründet. „Die Frauenhausbewegung hat dafür gesorgt, dass das Thema aus der Tabuzone rausgekommen ist“, so Brückner. Ein Meilenstein war die UN-Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking, 2011 hat der Europarat die Istanbul-Konvention verabschiedet, nach der sich die Staaten verpflichten, Frauen Beratung und Schutz zu gewähren. „Deutschland hat bis 2018 gebraucht, die Konvention in Kraft zu setzen“, sagte Margrit Brückner.
Heute gibt es in Deutschland ungefähr 400 Frauenhäuser und Schutzwohnungen, um die 32.000 Frauen finden hier jährlich Zuflucht. Das reicht aber nicht aus: „Es müssen leider immer wieder Frauen abgewiesen werden“, so Brückner. Die Frauenhaus-Arbeit wurde längst professionalisiert, Sozialarbeiterinnen, Polizei und Beratungsstellen arbeiten in sogenannten Interventionsketten eng zusammen, um betroffenen Frauen zu helfen. Auch für die Kinder gibt es spezielle Angebote.
Rückkehr zum Peiniger
Ein Phänomen ist, dass etwa ein Viertel der Frauen zu ihrem Peiniger zurückkehrt: Sie fühlen sich schuldig, ihn verlassen zu haben, glauben den Beteuerungen ihres Partners, dass es ihm leid tue. Für die professionellen Helferinnen sei dies oft schwer zu ertragen, so Brückner.
Um so wichtiger ist die Prävention: Begegnen sich die Partner in einer Beziehung auf Augenhöhe, ist die Gefahr, dass Liebe in Gewalt umschlägt, geringer. „Es ist wichtig, Jungs und Mädchen gleichberechtigt zu erziehen und sie zu ermuntern, sich gegen übergriffiges Verhalten zu wehren“, sagt Claudia Mündel vom Fachausschuss Häusliche Gewalt der Bürgerstiftung Kehl (BSK).
Ein Präventionsangebot möchte die BSK mit dem Projekt „Rosenstraße 76“ in Kehl etablieren. Die Bürgerstiftung hat das Inselcafé am Kehler Krankenhaus angemietet und wird dort eine Wohnung einrichten, in der sich subtile Hinweise auf häusliche Gewalt finden lassen: Zerbrochenes Geschirr, ein Strauß Blumen mit einem Entschuldigungs-Zettel daran, ein Tagebuch im Kinderzimmer mit verstörenden Einträgen. Die interaktive Ausstellung soll im März eröffnet werden und richtet sich vor allem an Jugendliche und Schulklassen. Zugleich soll dort eine Beratungsstelle eingerichtet werden.