Reichspogromnacht: Putzen der Stolpersteine in Kehl
Die Putz-Zeremonie der »Stolpersteine« in Kehl stand am Donnerstag unter besonderen Vorzeichen, denn Oberrabbiner Harold Avraham Weill aus Straßburg nahm daran teil. Es ist Tradition, die kleinen Gedenktafeln im Boden am 9. November zu polieren, in Erinnerung an die jüdischen Opfer der Reichspogromnacht vom 9. November 1938.
Ernst und betroffen gedachten Deutsche und Franzosen am Donnerstag in Kehl dem Schicksal der Opfer der NS-Zeit.
Ihre Namen zurückgeben
Kehls Oberbürgermeister Toni Vetrano (CDU) verwies bei der Begrüßung auf den Beschluss des Gemeinderates 2010, »Stolpersteine« in Kehl zu verlegen. »Damit wollen wir den ehemaligen Mitbürgerinnen und Mitbürgern wenigstens posthum ein klein wenig Würde zurückgeben, in dem wir ihnen ihre Namen zurückgeben«, sagte Vetrano mit spürbarer Emotion in der Stimme. An der »Stolperstein-Putzaktion« beteiligten sich etwa 50 Personen.
Oberrabbiner aus Straßburg
Aus Straßburg war Oberrabbiner Harold Avraham Weill gekommen. »Ich kann kaum in Worte fassen, was ich dabei empfinde, dass Menschen von der anderen Rheinseite zu uns kommen, um gemeinsam mit uns der Opfer der deutschen Nazi-Schergen zu gedenken«, sagte Vetrano. Der 35-jährige Oberrabiner reagierte sichtlich berührt. »Mir wird warm ums Herz, wenn ich die Worte des Oberbürgermeisters höre und seine Ergriffenheit spüre. Diese Initiative der Stadt Kehl gibt uns viel Hoffnung«, sagte Weill.
63 Stolpersteine in Kehl
Die »Stolpersteine« sind ein Projekt des Berliner Künstlers Gunter Demnig. In Straßburg soll eine ähnliche Aktion im kommenden Jahr starten. In Kehl wurden 63 dieser Steine verlegt. Beispielhaft ist das Schicksal der vierköpfigen Familie des Pferdehändlers Heinrich Bodenheimer. Ihr Leben fand im Konzentrationslager Auschwitz ein brutales Ende, berichteten die Historiker Ute Scherb und Friedrich Peter – nur die jüngste Tochter Ruth überlebte wie durch ein Wunder: Sie heiratete einen Amerikaner und verstarb nach 75 glücklichen Ehejahren im Januar 2018 in den USA. Drei Monate später folgte ihr Ehemann »der Liebe meines Lebens«.