Seltsame Funde in den Storchennestern im Hanauerland
Paulette Gawron, die Elsässerin, ist beileibe nicht vom Klapperstorch ins Hanauerland gebracht worden. Eher auf Amors Pfeilen dahergeritten. Ziel? Na, dorthin, wo ein Storchennest nebst Kamera im Garten steht. Nach Legelshurst also. Im Laufe der Jahre ist sie da so etwas wie die Hanauer Storchenmama geworden. Doch der Storchenpapa ist keineswegs Herr Gawron, sondern ein gewisser Gérard Mercier. Was ziemlich französisch klingt, da steckt auch tatsächlich ein Franzose drin. Und ein heller Kopf. Wo der wohnt? Na, ebenfalls in Legelshurst.
Zuneigung zur heimischen Natur
Das ist aber Zufall. Beide sind ob ihrer Zuneigung zur heimischen Natur und dem Ziel, hier in unserer Region Themen anzupacken, die wichtig sind – wie die Erhaltung der Natur zum Beispiel – miteinander verbunden. Dazu gehört natürlich nicht nur ihrer Meinung nach auch, dass auch die Kinder unserer Kinder hier noch singen können: »Auf unsrer Wiese gehet was, watet durch die Sümpfe, es hat ein schwarzweiß Röckchen an und trägt rote Strümpfe.«
Und so kraxeln beide alljährlich im Hanauerland und darüber hinaus mit Leidenschaft und meist unter Zuhilfenahme einer langen Feuerwehrleiter hoch aufs Storchennest, um deren Nest zu putzen oder Jungstörche zu beringen. Dabei ist es völlig egal, ob sich das Storchennest in greifbarer Nähe oben auf dem Kamin der ehemaligen Post in Bodersweier, auf dem Diersheimer Rathausdach oder ganz oben auf der Kirchturmspitze oder einem Fabrikschlot befindet.
Nest seit 1934 besetzt
Das Storchennest auf dem Schornstein der früheren Brotfabrik Lasch in Willstätt ist den Aufzeichungen von Walter Feld, dem inzwischen pensionierten Storchenbeauftragten des Landes, zufolge seit 1934 besetzt (bei dieser tollen Aussicht bis rüber nach Legelshurst ja auch kein Wunder). Auch als es nur noch acht Störche am Oberrhein gab. Von 1972 bis 1999 war ein Storch diesem Nest besonders treu. Anhand des Rings am Fuß konnte nachgewiesen werden, dass der 1963 in der Wilhelma in Stuttgart geschlüpfte Langbein satte 36 Jahre alt wurde.
Storch zeitweise fast ausgestorben
Weißstörche waren in den 70er-Jahren im Südwesten weitgehend ausgestorben. Die Jagd, Dürreperioden in den Überwinterungsgebieten oder tödliche Stromschläge an Überlandleitungen gelten als Hauptursachen. Die Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege in Karlsruhe wurde mit der Ansiedlung der Störche im Südwesten beauftragt. »Der Grundstock«, so Feld, seien 24 Jungstörche gewesen, die illegal ins Ländle transportiert und sogleich beschlagnahmt wurden.
Erste Jungvögel aus Schwarzach
Die Jungvögel wurden in einer Aufzuchtstation beim Forstamt Schwarzach (Neckar-Odenwald-Kreis) erfolgreich großgezogen, und nach und nach kam wieder Leben in die lange verwaisten Storchennester im Hanauerland. Waren es 1990 gerade mal neun Paare und 22 Jungstörche, so zählte man hier im letzen Jahr 72 Paare mit 99 Jungstörchen. Absolutes Rekordjahr war allerdings 2012, als 48 Storcheneltern 130 Jungstörche ausbrüteten.
In diesem Jahr 133 Jungstörche beringt
»In diesem Jahr haben wir insgesamt 133 Jungstörche haben beringt«, statistikt Gérard Mercier, aber leider sind viele Jungstörche gestorben: Der 18. Mai war todbringend. Es war enfach zu kalt und viel zu nass.
Tja, die Natur kann grausam sein. Der Storch auch. Obwohl er den Ruf des Kinderbringers hat, schmeißt er einfach das eine oder andere Junge aus dem Nest, wenn er meint, dass es zum Überleben zu schwach sei oder Futter rar werden könnte.
Gleich neun Nester in Eckartsweier
Störche scheinen dennoch intelligente Wesen zu sein: Ausgerechnet dort, wo in diesem Jahr ein großes Fest in Hanauer Tradition gefeiert wurde, haben Mercier und Paulette Gawron die meisten Storchenpaare gezählt: Gleich in neun Nestern hat sich Meister Adebar in Eckartsweier breit gemacht. Auch Legeslhurst zählt zu Langbeins Lieblingen: Hier wurden fünf Horste gezählt. Sogar in Honau, wo der gute alte Freimüller-Rudi sich schon immer einen Rotfuß auf dem Rathausdach gewünscht hatte, klappert es inzwischen fröhlich. Allerdings nicht vom Rathausdach, sondern von einem Mauervorsprung auf der katholischen Kirche. Seit letzten Jahr. Und das ausgerechnet über dem in Stein gemeißelten Evangelisten Johannes, der neben dem Eingangsportal wie auch der am Kreuz hängende Jesus mit einem Ganzkörper-Kondom vor den Hinterlassenschaften des neuen Nestbewohners geschützt werden musste. Um die in Stein Gemeißelten wieder plastikfrei zu machen, wurde das Nest an einen jesusfreien Kirchdachplatz umgesiedelt.
Auch Kehler Zeitung für Nestbau verwendet
A propos Plastik: Das findet sich nicht nur wie in Honau unterm, sondern auch im Nest drinnen. Und nicht nur das. Der Legelshurster Storch interessierte sich für das Hanauer Tagesgeschehen: Bei ihm fand man sogar die Kehler Zeitung im Nest.
2015 hatten die beiden NABU-isten sogar ein Handy in einem Storchennest auf einer Trauerweide in Kehl entdeckt. Der Besitzer war bald gefunden: Es war ein Berliner.
Trauerweide? Wie bitte? Na, in Willstätt hatten die Störche ihr Nest sogar auf einen Kran gebaut. Denn lediglich eine knappe Woche – und viel Geduld –braucht ein Storchenpaar für den Hausbau. Und eine Baugenehmigung ist da auch nicht vonnöten. 100- oder gar 1000-mal wird dabei hin und her geflogen, und fällt ein Ästchen mal zu Boden, wird halt ein anderes geholt.
Handschuhe und ein BH
Plastiktüten und Teppichbodenreste sind häufige Storchennest-Baumaterialien. Der Zierolshofener Storch scheint wohl eine Vorliebe für Spanngurte zu haben, wohingegen der Storch in Appenweier eine Ausbildung zum Landschaftsgärnter im Sinn zu haben scheint. In seinem Nest hatte er nach Auskunft der beiden Legelshurster Nestreiniger sechs Paar Arbeitshandschuhe gelagert. Die beiden Storchenzähler wissen aber auch von einem Storch, der sich in Odelshofen niedergelassen hatte, zu berichten, der letztes Jahr einen wohl bereits getragenen Büstenhalter im Nest versteckte, dessen Besitzerin allerdings trotz akribischer Recherche niemals ermittelt werden konnte.
Tägliche Ration Lyonerwurst
Heute gibt es also gottlob wieder mehr als genügend Storchenpaare hier im Hanauerland. Nicht zuletzt vielleicht auch deshalb, weil ein hungriger Neumühler Storch – vermutlich aus Fröschemangel – allmorgendlich beim dortigen Kabis-Bäck an die Tür geklopft hatte, um seine tägliche Ration Lyonerwurst abzuholen.
Hanauer Gedichte
»Lieder im Hanauerland« – so lautet der Titel eines heimatlichen Liederbuchs, das Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts der Linxer Redakteur und Heimatdichter Fritz Baas im Auftrag des letzten Landrats des Landkreises Kehl, Walter
Schäfer, zusammengestellt hatte. Herausgegeben hatte es der Landkreis Kehl. Davon existieren noch etliche Exemplare, und viele Besitzer passen auf dieses kleine Buch wie auf ihren eigenen
Augapfel.
Einige Hanauer haben auch gedichtet. Einige davon werden am großen Hanauer Owe am 30. September in der Stadthalle Kehl dann auch von räächte Hanauer zu Gehör gebracht. Ein darf also auch ein bisschen Schmalz sein. Schmalz mit viel Inbrunst – aber immer noch ganz schön authentisch!!
Mein Heimatland
Zwischen Schwarzwald und dem Rhein,
wo Felder, Wiesen grünen,
liegt‘s Heimatland im Sonnenschein
in Frieden mir zu Füßen.
Vom Berge fließt mein Heimatfluss,
die Kinzig, durch die Lande,
bringt von den Bergen mir ein Gruß
schließt mit mir feste Bande.
Mein Gottswald grüßt mit stiller Pracht,
er lädt mich zum Verweilen,
wo Has und Reh in schnellem Schritt
an mir vorübereilen.
Mein Heimatdorf am Kinzigstrand,
wo ich gelebt mein Leben,
es liegt in hellem Sonnenschein.
Was kann es Schön‘res geben?
Mein Auge schweift durchs Heimatland
zum Vater Rhein, dem Alten,
wo er die Mutter Kinzig grüßt,
nimmt sie in seine Arme.
Wenn auch der Zahn der Zeit mir nimmt
der alten Heimat Segen,
so soll in der Erinnerung doch,
was einst war, weiterleben.
Die Willstätterin Anneliese Jung-Springmann hatte uns drei Gedichte ihres 1984 verstorbenen Vaters Hugo Jung senior)zukommen lassen, mit denen der seine Verbundenheit zu seiner Heimat hier im Hanauerland in Reime gebracht hatte.«