Gästeführer brauchen Sonderlizenz für Straßburger Münster
Um Führungen durch die Straßburger Sehenswürdigkeit durchführen zu können, haben Kehler Gästeführer eine Ausbildung absolviert. Auf dem Weg dorthin gab es einige Hindernisse zu überwinden.
Das Straßburger Münster zählt zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Europas. Jährlich bestaunen etwa 2,5 Millionen Menschen dieses Meisterwerk der Gotik. Darunter auch viele Reisegruppen, die sich das Bauwerk von professionellen Gästeführern erklären lassen. Vor Ort werden solche Touren sowohl von Straßburger als auch von Kehler Guides angeboten.
Dass auch Letztere ohne Einschränkung auf französischem Boden tätig sein dürfen, regelt eine EU-Direktive aus dem Jahr 2005, die die berufliche Freizügigkeit innerhalb aller Mitgliedsstaaten auch für Gästeführer garantiert.
Nun befindet sich Frankreich seit 2015 infolge mehrerer terroristischer Attentate in einem rechtlichen Ausnahmezustand, was nicht ohne Folgen für die Gästeführer blieb. Öffentliche Plätze und Gebäude, die als potentielle Anschlagsziele gelten, werden von Polizei und Militär kontrolliert und der Zutritt bei öffentlichen Veranstaltungen streng limitiert.
Auch am Portal des Straßburger Münsters finden Personenkontrollen statt, auf eine Begrenzung des Zutritts wurde zunächst aber aufgrund der großen touristischen Bedeutung des Ortes verzichtet. Angesichts der stetig wachsenden Zahl an Besuchergruppen sah sich die Münsterverwaltung nun allerdings gezwungen, die Reißleine zu ziehen.
Seit April sind nur noch lizenzierte Guides befugt, Innenführungen im Straßburger Münster durchzuführen. Voraussetzung für den Erwerb dieser Lizenz ist die Teilnahme an einer aus zwei Modulen bestehenden Ausbildung, gefolgt von einer praktischen Übung und einem schriftlichen Abschusstest, alles in französischer Sprache. Problemlos akzeptiert werden Bewerbungen von Gästeführern mit französischem Berufsausweis. Ob auch die Mitgliedschaft im Bundesverband der deutschen Gästeführer (BVGD) als gleichwertig gilt, war zunächst unklar.
Die Kehler wurden aktiv
Da der Verein der Kehler Gästeführer durch die Nähe zu Straßburg von einem solchen Ausschluss besonders betroffen gewesen wäre, wurde dessen Vorstand aktiv. Im Januar 2020 lenkte die Münsterverwaltung ein und erklärte, dass der deutsche BVGD-Ausweis als ein dem französischen gleichwertiger Nachweis anerkannt werde, mehr noch: Man sei bereit, einen Sondertermin speziell für Kehler Gästeführer anzubieten und das erste Ausbildungsmodul sogar vollständig nach Kehl zu verlegen.
Auch das Sprachproblem konnte gelöst werden. Beide Module würden zwar in französischer Sprache abgehalten, könnten aber vom Kehler Vorstand in Eigenverantwortung simultan gedolmetscht werden.
Nachdem die grundsätzliche Äquivalenz der beiden Berufsausweise geregelt war, preschten drei Französisch sprechende Mitglieder des Kehler Vereins voraus und meldeten sich zur Lizenzierung in Frankreich an. Ort der Veranstaltung war ein Raum im Straßburger Münster.
Im Rahmen des ersten Ausbildungsmoduls wurden der rechtliche Status des Straßburger Münsters sowie die Gründe für eine hauseigene Lizenz erläutert: Dazu gehören die landesweit weiterhin angespannte Sicherheitslage, die infolge des Großbrandes von Notre-Dame in Paris verschärften Brandschutzvorschriften und nicht zuletzt die wachsende Flut an externen und oft unqualifizierten Guides, die bisweilen den nötigen Respekt vor dem religiösen Charakter des Ortes vermissen ließen.
Beim zweiten Ausbildungsmodul standen Sicherheitsfragen im Mittelpunkt. Zum Abschluss absolvierten die Teilnehmer eine schriftliche Prüfung.
Nach Empfang der bereits vorbereiteten Ausweise konnten sich auch die drei deutschen Teilnehmer darüber freuen, als erste BVGD-Mitglieder überhaupt in den illustren Kreis der Straßburger Münsterführer aufgenommen worden zu sein.
Nach diesem ersten Testlauf sollte am 16. März eine erste zweisprachige Ausbildung in der Tourist-Information Kehl starten. Alle übrigen Mitglieder der Kehler Gästeführer hatten sich dazu angemeldet. Doch am Morgen dieses schicksalhaften Tages ließ Innenminister Seehofer wegen Corona die Grenze zu Frankreich schließen. Die Veranstaltung musste abgesagt werden.
Noch am Tag der Grenzschließung vereinbarten die Projekt-Partner, nach Abflauen der Epidemie einen neuen Termin anzusetzen, freilich unter neuem Vorzeichen: Dann werde es nicht mehr primär darum gehen, die Zahl der Reisegruppen zu reduzieren, sondern vielmehr darum, dass überhaupt wieder Reisegruppen nach Straßburg und ins Elsass fahren.
Buchen in der Tourist-Info
Nachdem sich Mitte Juni die Schlagbäume gehoben hatten, versammelten sich am 20. Juli in Straßburg 20 Gästeführer aus dem Raum Kehl/Freiburg zur ersten deutsch-französischen Zertifizierungsrunde.
Am Ende konnten alle Teilnehmer mit der neu erworbenen Lizenz nach Hause gehen. Sie ermöglicht ab sofort Gruppenführungen, auch im bisher für andere Besucher nicht zugänglichen, nördlichen Querschiff.
Auch private Gruppen können diese Exklusivführungen ab sofort über die Tourist-Information Kehl buchen.