Sozialkompetenz im Schnee
An der Josef-Guggenmos-Schule sind 15 Kinder in der Notbetreuung. Neben dem schulischen Lernangebot gibt es für sie ein warmes Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung und Spielphasen.
Zwar haben die Corona-Pandemie, der zweite harte Lockdown und das Notbetreuungsangebot den Schulalltag an der Josef-Guggenmos-Grundschule gehörig durcheinandergewirbelt, „schlimmer geworden ist es aber nicht“, sagt Alexander Olenberg aus dem Ganztagsbetreuungsteam.
Derzeit kommen täglich 15 Kinder aus den Klassenstufen 1 bis 4 in die Maurice-Ravel-Straße, weil ihre Eltern beruflich unabkömmlich sind und keine Betreuungsalternativen haben. Unterstützt durch Sarina Freter und Jugendsozialarbeiter Pascal Woitschitzky hilft Alexander Olenberg ihnen mit den Schulaufgaben und sorgt für ein abwechslungsreiches Nachmittagsprogramm.
„Kinder sind voller Energie“
Eine hüfthohe Schneekugel rollt der achtjährige Yerwant über den Pausenhof der Josef-Guggenmos-Grundschule. Sein Ziel ist eine noch größere Kugel, das Fundament für einen Schneemann. Bevor der Drittklässler jedoch seine kalte Fracht anheben kann, gibt ihm Alexander Olenberg ein paar Tipps: „Ihr müsst die untere Kugel erst festklopfen, damit sie nicht platzt, wenn ihr eine weitere draufsetzt.“
Yerwant ist keinesfalls allein und der Schneemann ein Werk von ihm und seinen Schulfreunden. Sie alle sind für die Notbetreuung in der Grundschule angemeldet. In den Pausen und in der Freispielphase am Nachmittag zieht es die Kinder nach draußen.
„Nach ihrer Rückkehr aus den Ferien waren die Kinder voller Energie“, berichtet Jugendsozialarbeiter Pascal Woitschitzky. Laut sei es zum Schulstart auf dem Pausenhof gewesen, erinnert er sich. Streitigkeiten und Konflikte untereinander ließen bei so viel angestauter Energie nicht lange auf sich warten. „Die soziale Kompetenz ist ein bisschen auf der Strecke geblieben“, ergänzt Sarina Freter. Diese würden Kinder normalerweise untereinander lernen. Normalerweise, denn Treffen im Sportverein oder auf dem Spielplatz seien derzeit gar nicht oder nur eingeschränkt möglich.
Das Toben im Schnee auf dem Pausenhof wirkt sehr harmonisch. Dritt- und Viertklässler packen gemeinsam mit an und klopfen die Schneekugeln mit Plastikschaufeln fest.
Allerdings ist die Notbetreuung in der Grundschule nicht allein durch Spielphasen geprägt. „Hier können wir unsere Aufgaben machen, denn es gibt ja Eltern, die arbeiten“, weiß die neunjährige Medina. Die Viertklässlerin kennt auch den Grund für diese ungewöhnliche Unterrichtssituation: „Die Krankheit Corona.“ Schüler, die nicht zur Notbetreuung angemeldet wurden, bekommen ihre Hausaufgaben im Homeschooling übermittelt oder nehmen sie direkt vor der Grundschule von zwei Lehrerinnen entgegen, die an diesem Montag vor dem Eingang stehen.
„Unser Tagesablauf hat sich durch die Notbetreuung nicht stark verändert“, berichtet Alexander Olenberg. Bis 12.30 Uhr machen die Kinder in den Klassenräumen ihre Schulaufgaben. Stellen Lehrerinnen und Lehrer fest, dass sich ein Kind mit dem Schulstoff schwertut und gesonderten Förderbedarf hat, wird Alexander Olenberg hinzugezogen.
Nach einem warmen Mittagessen und einer Freispielphase folgt ab 14 Uhr die sogenannte Lernstunde inklusive Hausaufgabenbetreuung. Für die übrige Zeit bis 16 Uhr gibt es dann Arbeitsgruppen und Kreativangebote, unter anderem konzipiert von Alexander Olenberg und Sarina Freter. „In der Vergangenheit haben wir mit den Schülerinnen und Schülern gekocht. Das ist gut angekommen“, erzählt Olenberg.
In der Wilhelmschule, wo die Josef-Guggenmos-Grundschule zwischenzeitlich untergebracht war, während die Räumlichkeiten an der Maurice-Ravel-Straße saniert wurden, hatte Alexander Olenberg mit den Kindern beispielsweise Waffeln mit selbst gemachtem Apfelmus zubereitet. „Aus Hygienegründen kann das Kochangebot nicht mehr stattfinden“, sagt Alexander Olenberg.
Kind sein dürfen
Abwechslungsreich bleibt es für die Schülerinnen und Schüler dennoch: Neben kunsttherapeutischen Angeboten, die von einer städtischen Fachkraft erteilt werden, gibt es auch eine Reihe von Gesellschaftsspielen zur Stärkung der sozialen Kompetenz. Auf ihre Lieblingsspiele angesprochen nennt die neunjährige Medina den Kartenspiel-Klassiker Uno und der achtjährige Yerwant ruft, ohne zu zögern, „Schachmatt“.
„Wir orientieren uns an den Bedarfen der Schülerinnen und Schüler und geben ihnen die Möglichkeit, schlicht Kind sein zu dürfen – fern von den Schwierigkeiten der Corona-Krise“, sagt Betreuer Alexander Olenberg.