Stadt sucht Familienpaten
Die Stadt Kehl sucht Paten für Flüchlingsfamilien – Menschen wie Bettina Walter, die sich um Afghanen kümmert.
Sie erklären Briefe in einfacher Sprache, helfen beim Anschluss der Waschmaschine oder bieten ihren Fahrdienst für den Einkauf im Supermarkt an: Familienpaten von Flüchtlingen. So eine ist die Kehlerin Bettina Walter, die die aus Afgahnistan geflohene Familie Vahedi betreut. Die Eltern und ihre vier Kinder waren im April 2016 in der Unterkunft in der Iringheimer Straße, heute bewohnt das Sextett eine Vier-Zimmer-Wohnung, die Kinder besuchen die Schule oder den Kindergarten und Mutter Satarah engagiert sich im neu gegründeten Flüchtlingsrat. Die drei Söhne Ahmad, Sirat und Akhbar, zwölf, elf und neun Jahre alt, spielen alle Fußball im Verein; sie haben schnell Deutsch gelernt und übersetzen inzwischen für ihre Eltern. Die vierjährige Hamasha spricht inzwischen fast fließend.
Dass der Familie der Start in Deutschland so gut gelungen ist, führt die Stadtverwaltung in ihrer Pressemitteilung auch auf Familienpatin Walter zurück. Ihre ehrenamtliche Tätigkeit begann mit ganz praktischen Hilfeleistungen: Sie kaufte einen Campingtisch, auf dem die drei Jungs ihre Hausaufgaben erledigen konnten. Sie machte einen afghanischen Verlag ausfindig und besorgte Bücher auf Dari. Oder sie veranstaltete zusammen mit ihren Söhnen Raffaello und Jacopo eine Teestunde. Außerdem hilft sie bei Amtsgeschäften weiter. Wenn sie nicht direkt eine Antwort wusste, stand ihr Serpil Kücük vom Landratsamt Ortenaukreis zur Seite.
Ungefähr dreimal im Monat habe sie die Vahedis anfangs besucht, erinnert sich Bettina Walter. »Eigentlich ist es nicht so viel, was man machen muss«, sagt die Flüchtlingspatin, die als Kostümbildnerin arbeitet. Zu lasch sollte man die Helfertätigkeit aber auch nicht angehen, betont die 56-Jährige: Die Regelmäßigkeit der Besuche sei ganz wichtig, denn »bei den Flüchtlingen entwickelt sich eine Erwartungshaltung – es sind nun mal Menschen in Not.« Zeit braucht es auch, den Flüchtlingen, die deutsche Kultur näherzubringen.
Als »zentrale Hilfestellung« der Paten bezeichnet Bettina Walter die Begleitung der Flüchtlinge zur Anhörung, bei der über ihren Asylantrag entschieden wird. »Ich habe ihnen bewusst gemacht, dass es wichtig ist, die Wahrheit zu erzählen, dass sie nichts überdramatisieren oder verherrlichen«, sagt die Patin. Weil Familienvater Obaydullah, wie er sagt, in seiner Heimat mit dem Tod gedroht wurde, entschloss sich die Familie zur Flucht. Ihr Schutzbedürfnis wurde im Dezember 2015 anerkannt, sie bekamen eine zunächst auf drei Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung.
Inzwischen sind drei Monate vergangen, seit die afghanische Familie umgezogen ist. In ihrer neuen Vier-Zimmer-Wohnung haben sie es sich bequem eingerichtet. Bettina Walter und ihre beiden Söhne sind nun Teil der Vahedi-Familie geworden. Weihnachten 2016 haben sie zusammen im Hause Walter verbracht, zum Fastenbrechen am Ende des Ramadan, luden die Afghanen zu sich ein.
Familienpate werden
595 Flüchtlinge leben derzeit in Kehl. Sie sind auf Gemeinschaftsunterkünfte (Erstunterbringung) und Wohnhäuser (Anschlussunterbringung) verteilt. Aktuell betreuen 30 Paten Flüchtlinge in den Kehler Gemeinschaftsunterkünften: zwölf Familienpaten, acht Sprachpaten, fünf Personen, die Nachhilfe geben, und fünf Personen, die anderweitig Unterstützung anbieten. Drei Familien und vier alleinstehende Männer haben noch keinen Paten. Um anerkannte Flüchtlinge, die in der Anschlussunterbringung leben, kümmern sich insgesamt 55 Paten – fünf Familienpaten und fünf Sprachpaten werden noch benötigt. Pate kann jeder werden, der genug Zeit hat, zuverlässig, motiviert und über 18 Jahre alt ist. Ein polizeiliches Führungszeugnis muss nur vorgelegt werden, wenn auch für Kinder eine Patenschaft übernommen wird. Weitere Informationen zum ehrenamtlichen Engagement sind auf der Flüchtlingshilfeseite der Stadt Kehl unter www.fluechtlingshilfe.kehl.de in der Rubrik »Wie kann ich helfen?« erhältlich.