Tag der offenen Tür in Neumühler Nazi-Bunker
Von außen ist er unscheinbar wie eine Garage, aber er hat wesentlich dickere Mauern: Der Tarnbunker in Neumühl. Am kommenden Wochenende wird das Relikt des Zweiten Weltkriegs erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Einst war der »Westwall« ein militärisches Verteidigungssystem, das aus rund 18 000 Anlagen verschiedener Größen bestand und das sich vom Norden Deutschlands bis zur Schweizer Grenze im äußersten Süden des Landes erstreckte. Nach dem Untergang des Dritten Reichs wurden die Bunker gesprengt, mit Erde bedeckt oder mit Beton verfüllt.
Letzteres Schicksal ereilte auch den Tarnbunker in Kehl-Neumühl. Eine Sprengung blieb ihm wegen seiner Nähe zur Umgebungsbebauung und zu einem Bachlauf nach dem Krieg erspart.
Errichtet wurde der Bunker mit der Wehrmachts-Hausummer 4323 im Jahr 1938, er sollte das Dorf Neumühl verteidigen. Wand und Decke bestehen aus 1,5 Meter dickem Stahlbeton. Zu seiner Tarnung erhielt er ein Dachgeschoss aus Holz-Fachwerk, das bereits kurz nach der Errichtung auch bewohnt wurde. 2007 stand das Grundstück mit seiner gesamten Bebauung zum Verkauf. In der Folgezeit wurde dem Bunker der Dachaufbau abgenommen, der zunächst geplante Abbruch des Bunkers jedoch auch aufgrund des seit 2005 vorhandenen Denkmalschutzes nicht vollzogen. Ab 2012 wurde in zahlreichen Arbeitsstunden in Handarbeit die nach dem Krieg eingebrachte Betonfüllung entfernt.
Mittlerweile ist die Städtische Wohnbaugesellschaft Eigentümerin von Grundstück und Bunker. In jüngster Zeit gründeten zudem zeit- und wehrgeschichtlich Interessierte, denen der Erhalt des Bunkers am Herzen lag, die Interessengemeinschaft (IG) »Tarnbunker Neumühl«.
Sie mieteten den Bunker, wollen ihn nun dokumentarisch aufarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Dazu gehören auch Pläne zur Neuerrichtung des Dachgeschosses, wie der Kehler Klaus Gras erläutert: »Über den kommenden Winter soll ein kommunikatives Infozentrum entstehen, das nach Absprache geöffnet werden kann.«
Bewirtung durch die "Hexen"
Ein erster Schritt in die Öffentlichkeit steht am kommenden Wochenende an: Dazu wird am Samstag, 21. Oktober, ab 19.30 Uhr ein Vortrag, verbunden mit der Vorstellung der IG »Tarnbunker Neumühl«, im Bürgersaal im Rathaus Neumühl stattfinden. Am Sonntag, 22. Oktober, wird der Tarnbunker, der sich an der Ecke Elsässer Straße/Stockweg befindet, von 10.30 Uhr bis 16 Uhr für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Die IG wird dabei die Besucher durch den Bunker führen. Geplant ist auch eine Bewirtung durch die Neumühler Hexen.
In Zukunft soll das Bauwerk an ausgewählten Tagen für die Öffentlichkeit zugänglich sein, etwa an den europaweiten Veranstaltungen »Tag des offenen Denkmals« oder »Tag der Forts«. Ansonsten richtet sich das Besichtigungsangebot insbesondere an Gruppen wie Schulklassen oder Vereine, die nach Vereinbarung durch das Bauwerk geführt werden.
»Als Ansprechpartner stehen die Neumühler Bürger Siegfried Pagel und Adolf Zippenfennig zur Verfügung«, berichtet Klaus Gras, und betont, dass das Projekt ohne viel ehrenamtliche Hilfe nicht zustande gekommen wäre. Neben Siegried Pagel nennt er hier auch Erich Nagel und seine Familie aus Eckartsweier sowie diverse Materialsponsoren aus der Region. Nostalgie solle in dem Bunker nicht aufkommen, sagt Gras. Auf allzu schmucke Einrichtung werde deshalb verzichtet, kündigt er an. Idealisierende Vorstellungen von der Kriegszeit seien nämlich zu vermeiden. Vielmehr gelte es, den Größenwahn der Nazis und die Sinnlosigkeit des Krieges herauszustellen.
Und künftig könnte aus dem einst kriegerischen Element des »Westwalls« sogar ein völkerverbindendes Projekt werden. Die IG »Tarnbunker Neumühl« plant, mit weiteren Interessengemeinschaften, Vereinen und Behörden grenzübergreifend zusammenzuarbeiten. Der Neumühler Bunker könnte so aus der Sicht der Interessengemeinschaft eine sehr gute Ergänzung zwischen den kaiserlichen Forts von Straßburg, der Maginot-Linie im nördlichen Ried sowie den Westbefestigungen und den Bauwerken des Kalten Krieges in Neuried-Altenheim (Bunker »Emilie«) und auf der Hornisgrinde darstellen.