Theatergruppe Sand feiert eine Premiere

(Bild 1/2) Veronika (schwarzes Kleid) überrascht ihre Freundinnen mit ungewöhnlichen Ansichten über die Liebe und die Ehe: Ingrid Schwörer (von links), Tanja Geißler, Juliane Mücke und Renate Schindler. ©Nina Saam
Das neue poetische Stück der Sandbühne handelt von der Liebe und anderen zwischenmenschlichen Beziehungen, von Schuld und Rache und vom »Unter-die-Haut-gehen«. Am Freitag wurde »Tattoo d’amour« in der Sander Halle uraufgeführt.
Ein düsteres Ereignis überschattet Antonellas Familie: Ihr Vater Phönix, von Beruf Tätowierer, sitzt seit 20 Jahren wegen Mordes im Gefängnis. Ihre Mutter Babette hat sich nach der Tat scheiden lassen und bewacht und behütet seitdem Antonellas Bruder Mattheo, der sich in grenzenlosem Hass gegen den Vater verzehrt. Als Antonella (Vanessa Förger) beschließt, selbst einen Tattoo-Laden einzurichten, ist nicht nur ihre Familie dagegen, sondern auch ihr Freund Fitz (Alexander Spinner), der sich daran stört, dass sie anderen Männern von Berufs wegen hautnah kommen wird.
Antonellas Kusine Veronika (Juliane Mücke) dagegen ist zum Feiern zumute: Kurz vor ihrer Hochzeit mit Lenz, feiert sie mit fünf Freundinnen ihren Junggesellinnen-Abschied. Höhepunkt der Mädelsause soll ein »Tattoo d’amour« sein, das ihr Antonella am nächsten Tag stechen soll. In roten Gewändern tanzen die Freundinnen durch die Nacht, trinken, lachen, singen, philosophieren – über die Liebe, über Beziehungen, Freundschaft und Eheverträge, aber auch über Einsamkeit und Tristesse: Konfrontiert mit Veronikas unkonventionellen Ansichten geben die Freundinnen Einblick in ihre eigenen Beziehungen, in denen nicht alles eitel Sonnenschein ist.
Da taucht unverhofft Phönix, Antonellas Vater, wieder auf. Während Antonella ihm reserviert, aber neugierig gegenübersteht, kennt ihr Bruder Mattheo nur eines: Rache für das, was er der Familie angetan hat. In einem furiosen, überbordenden Showdown offenbaren sich so detailreich und rasant die verworrenen Hintergründe der 20 Jahre zurückliegenden Familientragödie, dass einem ganz schwindlig wird.
Ein buntes Kaleidoskop skurriler Charaktere hat Regisseur Peter Scheffel auf die Bühnenbretter gestellt: Antonella, die die Haut Zentimeter für Zentimeter abzuhören pflegt, bevor sie ein Tattoo aufbringt, Veronika, die in ihrem Ehevertrag »geplante wilde Gespräche« und wöchentliche Kopfwaschungen mit Brennnesselseife verankert hat, oder Mattheo, der mit seinen inneren Wölfen kämpft (herausragend: Paul Pichler).
Herrliche Wortspielereien
In seinem neuen Stück lebt Peter Scheffel seine Lust an Wortspielereien voll aus und fügt in den Szenen Sprachminiaturen voller blumiger Neologismen und Metaphern aneinander. Da ist von Schlüsselblumenerlebnissen die Rede, von Trauzigeunerinnen, Eizellenwärterinnen und Lippengiftermittlerinnen, es wird philosophiert über »Hautpaare«, Glückskontrollen per Gesichtsscanner und die Schwarzwälder Kirschtorte als magisches Zeichen. Auch inhaltlich offenbaren sich immer wieder neue An- und Einsichten, denen man ob ihrer fantasievollen Fülle kaum hinterherzuspüren vermag.
Mit »Tattoo d’amour« haben die zwölf Akteure um Regisseur Peter Scheffel ein ebenso poetisches wie anspruchsvolles Stück auf die Beine gestellt, das vom Publikum mit kräftigem Applaus belohnt wurde.