Umweltschutz wird im Kehler Stahlwerk groß geschrieben
Im Rheinhafen Kehl steht das einzige Stahlwerk Baden-Württembergs. Willy Korf hat es vor 50 Jahren bauen lassen. Am 27. Oktober 1968 nahm es seinen Betrieb auf. In einer neunteiligen Serie beleuchtet Baden Online die bewegende Geschichte des Badischen Stahlwerks. Heute: Umwelt und Ausblick.
Willy Korf hatte mit der Stahlwerksgründung in den 60er-Jahren einen mutigen Schritt gemacht. Allerdings produzierte er in einer Gegend nun Stahl, in der andere Menschen ihren Urlaub verbringen. Damit war klar, dass die Umwelt-Sensibilität höher war als beispielsweise im Ruhrgebiet, wo seit 150 Jahren Kohle- und Stahlindustrie angesiedelt sind.
Für die zunächst angepeilten 250 000 Jahrestonnen waren eine Nass-Entstaubung und eine einfache Wasseraufbereitung ausreichend. Die Genehmigung für die geplanten Produktionssteigerungen brachten natürlich Auflagen zur Erweiterung des Umweltschutzes mit sich. Dabei spielte auch der Lärmschutz eine Rolle, weil die Wohnbebauung von Auenheim immer mehr auf das Stahlwerk zuwuchs. Mit der Trockenentstaubung, die in den 70er-Jahren entstand, wurde ein entscheidender Schritt gemacht. BSW hatte stets das Ziel, die vorgegebenen Grenzwerte der TA-Luft zu unterschreiten. Die Mitwirkung der Firmentochter BSE und vor allem das Modellieren des Stahlwerkskonzeptes mit Simulation der Luftströmung in der Halle und außerhalb lieferten entscheidende Hinweise. In den späten 80er-Jahren ist es dann auch gelungen, die TA-Luftgrenzwerte deutlich zu unterschreiten.
Ende der 1980er-Jahre hatte das Thema »Giftmüllofen«, eine vom Land verfolgte Planung für eine Industriemüllverbrennung im Kehler Rheinhafen, zu einer Sensibilisierung in der Nachbarschaft des Stahlwerks gesorgt. Protestgruppen hatten sich gebildet und dabei auch die BSW aufs Korn genommen. Eine Ärzteinitiative betrieb eine regelrechte Medienkampagne gegen das Stahlwerk und deckte im Wochenrhythmus vermeintliche Umweltsünden auf. Dies führte dazu, dass in den späten 80er-Jahren ein weiteres Vorstandsmitglied in der Person von Karlheinz Klein, früherer Stahlwerkschef, der die Japantechnologie eingeführt hatte und Mitgeschäftsführer der BSE war, zum Vorstand bestellt wurde, um sich ausschließlich dem Thema Umwelt anzunehmen.
In einem Zehn-Jahreszeitraum hat das Stahlwerk daraufhin rund 100 Millionen Mark in den Umweltschutz investiert. Als erstes wurde das schwere Heizöl durch Erdgas ersetzt. Dann kamen die Ertüchtigung und Erweiterung der Trockenentstaubung und die Installation von Wasseraufbereitungsanlagen, die einen perfekten Kreislauf des benutzten Kühlwassers mit dem Ziel verfolgte, in Zukunft nur noch Verdunstungsverluste ersetzen zu müssen. Gleichzeitig wurden die Abwasserkanäle, die Hebeanlage und das Auslaufbauwerk modernisiert. Auf der gegenüber liegenden Kinzigseite, Richtung Auenheim, wurde ein Lärmschutzwall gebaut, begrünt und als Freizeitgelände nutzbar gemacht. Gleichzeitig wurden die Mitarbeiter intensiv geschult mit dem Ziel, störenden Lärm zu vermeiden und die Grenzwerte nicht zu überschreiten.
Ein besonderes Problem war das Thema Abgasbehandlung. Das Stahlwerk hatte dabei Unterstützung der Chemischen Fakultät der Universität Tübingen. Es wurde eine sogenannte HTQ-Anlage (High Temperature Quench) hinter der Direktabsaugung eingebaut. Heiße Abgase werden dabei in Sekundenbruchteilen mit Wasser heruntergekühlt. Dadurch kann die Bildung von Ultragiften wie Dioxine und Furane verhindert werden. Hinzu kam die fachgerechte Entsorgung und Weiterleitung des Staubs aus der Trockenentstaubungsanlage. Er geht nach der Pelletisierung an einen Aufbereiter, der daraus im Drehrohrofen Sekundärzink zurückgewinnen kann.
Die Umwelt-Offensive des Stahlwerks zeigte Wirkung. Fortan gab es keine Proteste aus der Bevölkerung und dem Umfeld mehr. BSW wurde vorbildlich als erstes Elektrostahlwerk in Europa EMAS zertifiziert und konnte über das Tochterunternehmen Badische Stahl-Engineering anderen Stahlwerken Anleitungen und Hilfestellung bei der Lösung von Umweltproblemen anbieten. Mit den exzellenten Emissionswerten erhielt BSW vom Regierungspräsidium im Jahre 2009 auch die Genehmigung, bis zu 2,8 Millionen Tonnen Stahl pro Jahr zu produzieren.
Neues Walzwerk mit viel Potenzial
Über viele Jahre hinweg haben sich die Fachleute bei BSW Gedanken darüber gemacht, wie man Betonstahl im Ring, also endlos gewalzt, auch für dicke Abmessungen produzieren kann. Das führte zu einem Projekt, das Drahtwalzwerk unter weiterer Nutzung von Stoßofen und Teilen der Vorstraße gänzlich neu zu konzipieren.
Zur Verwirklichung des Projektes hat BSW der Firma Siemens-VAI den Auftrag zum Neubau der Anlagen erteilt. Wichtig für BSW war, dass mit dem alten Walzwerk, das nach Leistung und Toleranz langsam an seine Grenzen gekommen war und das Produkt beim Durchmesser auf maximal 14 mm begrenzte, mit möglichst wenig Unterbrechung weiter produzieren konnte. Nur wenige Wochen Stillstand für den Umschluss an den hinter dem alten Walzwerk errichteten neuen Fertigungsteil sollten notwendig sein. Im Jahreswechsel 2013/2014 führte dies zu einem Stillstand von acht Wochen.
Das mit neuester Technik und Digitalisierung ausgerüstete Walzwerk musste über einen Zeitraum von 18 Monaten schrittweise hochgefahren werden. Glücklicherweise hatte BSW mit dem Weiterbetrieb der Drahtstraße in seinem in 2013 erworbenen Stahlwerk in Trier Gelegenheit, gewisse Mengen zu kompensieren. Aber insgesamt war dieser lang andauernde Anlauf eine enorme Herausforderung für das Unternehmen. Nach Abschluss der Arbeiten konnte BSW aber mit Genugtuung feststellen, dass die Erweiterung der Abmessung auf 20 und 25 Millimeter Durchmesser gelungen ist und auch erste Erfolge beim thermomechanischen Walzen erzielt wurden. Das bedeutet, durch geschickte Temperaturführung während der Verformung Materialeigenschaften zu erreichen, wie sie vorher nur unter Beigabe von Legierungselementen möglich waren. Dieses Walzwerk bietet der nächsten Unternehmergeneration viel Potential. »Nur wenige Konkurrenten in Europa werden die Herstellung von Ringgrößen mit bis zu acht Tonnen Gewicht in den Abmessungen bis 25 Millimeter auf einem Coil (Ring) realisieren können«, sagen Michel Hamy und Markus Menges. Michel Hamy ist seit 2004, Markus Menges seit 2013 Geschäftsführer bei BSW.
Der Weiterverarbeiter kann, sofern er in eine moderne Ablaufbiege- und Schneidmaschine investiert hat, die Kapitalbindung im Vorratsvermögen drastisch senken und gleichzeitig den Verschnitt, der bei Betonstahl in Stäben in den Standardlängen acht, zwölf, 15 und 18 Meter unvermeidbar ist, verhindern.
Durch diese Investition sehen die BSW ihre Wettbewerbsposition in Europa erheblich verbessert. BSW dürfte den Trend vom Betonstabstahl zum Betonstahl im Ring gut für sich nutzen können.