Wiebke Thomae ist auf dem Sprung in eine neue Zeit
Ab 2. Juni kann Wiebke Thomae ihr Ballettstudio in Kehl nach elf Wochen Stillstand wieder öffnen. Doch die Rückkehr zum normalen Betrieb wird Veränderungen mit sich bringen.
Ballett – das ist Anmut und getanzte Musik, aber auch Disziplin und anstrengendes Training. All das fehlt Ballettlehrerin Wiebke Thomae, ihren drei Mitarbeiterinnen und ihren Schülern schon seit über zwei Monaten. Daher sieht Thomae, die in ihrem Kehler Studio nach eigener Aussage vom 13. März bis jetzt „den Stillstand verwaltet“ hat, einer möglichen Wiedereröffnung am Dienstag, 2. Juni, hoffnungsfroh entgegen.
Nach langen Wochen der Ungewissheit und widersprüchlichen Auskünften gibt es endlich eine klare Ansage. Aber eines wird dabei auch deutlich: „Eine Rückkehr zum Regelunterricht wird es leider nicht werden“. Nach der neuen Verordnung vom 22. Mai werden – wie überall – auch im Ballettstudio ein strenges Kontaktverbot und das generelle Abstandsgebot und die Hygieneregeln gelten. Schwieriger wird es mit der Ausgestaltung von tanzspezifischen Auflagen: Wird beim Training der Standort beibehalten, müssen jeder Person zehn Quadratmeter Fläche zur Verfügung stehen. „Das bekommen wir in unseren großzügigen Räumen noch gut hin,“ so Thomae.
Bei Bewegungen im Raum sind jedoch 40 Quadratmeter pro Person erforderlich. „Das wird schwierig – obwohl ich den Grund absolut nachvollziehen kann.“ Untersuchungen haben gezeigt, dass durch die verstärkte Atmung bei raumgreifenden Sprüngen und Drehungen potentiell Virus tragende Aerosol-Tröpfchen in der Raumluft verteilt werden und dort längere Zeit herum schweben. Dann kann es passieren, dass jemand die Aerosol-Tröpfchen des vor ihm Tanzenden einatmet. Dieser Infektionsweg ist noch nicht hinreichend erforscht. Daher die großen Vorsichtsmaßnahmen, die übrigens auch für den Chorgesang gelten.
Schwer Luft zu holen
Aus dem selben Grund ist Ausdauertraining, also ein Training, bei dem sich die Sportler über einen längeren Zeitraum an oder über der anaeroben Schwelle bewegen, untersagt. „Doch mit nur ruhigen Bewegungen am Platz kann ich auf lange Sicht die Herzen der Kinder nicht erfreuen“, ist sich Thomae sicher. Der Lehrerin ist auch folgendes klar: „Zur Vorbeugung mit Mund-Nasen-Maske zu tanzen, stelle ich mir sehr hinderlich und eigentlich nicht zumutbar vor. Tanzen ist Ausdruck der Seele, und die spiegelt sich im Gesicht wider. Gar nicht zu reden davon, dass einem nach einer viertel Stunde die Luft wegbleibt.“ Wegen des Kontaktverbots muss bis auf weiteres auf taktile Korrekturen ganz verzichtet werden. „Aber gerade im Tanz ist Nähe essenziell“, erklärt die Pädagogin. „Eine Korrektur der Haltung oder Ausführung ist für eine Schülerin viel leichter verständlich, wenn ich ihr zusätzlich zur Erklärung die Hand an den Rücken lege oder ihren Fuß biege. Aber verglichen mit dem Aerosol-Aspekt ist das natürlich unerheblich.“
Des Weiteren wird es notwendig, die Kurseinheiten so zu verkürzen, dass keine Begegnungen der Schüler beim Klassenwechsel stattfinden. Die Ballettstangen sind nach jeder Unterrichtsstunde zu reinigen, Türklinken in angemessenen Abständen. Nach jeder Unterrichtsstunde sind die Räume zu lüften. „Wir sind eine große Schule, Klassen bis zu 15 Teilnehmenden geben sich hier im Regelbetrieb nachmittags bis abends die Klinke in die Hand. Der Unterricht verläuft zum Teil in zwei Sälen parallel. Diese Gruppen müsste ich nun entsprechend den Vorgaben ausdünnen, so könnte ich maximal zehn Schüler pro Klasse unterrichten. Die formellen Vorgaben einzuhalten werden wir Dank unserer großzügigen Räume hin bekommen. Solange aber noch die Details zu klären sind, und ich also bisher nicht weiß, wer wann, wie oft pro Monat und wie lange Unterricht haben wird, kann ich die Beitragszahlungen für die „neue Zeit“ nicht kalkulieren. Ich denke natürlich darüber nach, ein reduziertes Unterrichtspensum mit Reduzierung des Monatsbeitrags auszugleichen. Geld, das dann erst mal auf lange Sicht fehlen wird, zumal die Kunden seit Mai die Möglichkeit haben, ihr Abo ruhen zu lassen. Wann der Unterrichtsbetrieb wieder rentabel laufen könnte, ist leider nicht abzusehen.“
Doch die Vernunft geht vor: „Der Infektionsschutz beim Wiederbeginn und für die Zukunft steht an oberster Stelle.“ Für die verordneten Maßnahmen hat sie daher Verständnis. „Ich werde den Unterrichtsbetrieb so regeln, dass alle Beteiligten sich sicher fühlen können.“ Vorher mache eine Wiederaufnahme keinen Sinn. „Das gemeinsame Tanzen ist viel mehr als eine Art der körperlichen Fitness. Es ist nachweislich gut für die Seele, richtet die Energiebahnen im Körper neu aus und macht glücklich. Damit tun wir unserem Immunsystem etwas Gutes und sind besser vor Krankheitserregern geschützt – in meinen Augen ein durchaus systemrelevanter Aspekt.“
Zeit bis zu den Ferien
Die Pädagogin zeigt sich für die Zukunft verhalten optimistisch: „Mit einem angepassten Unterrichtsmodus können wir schöne acht Wochen bis zu den Sommerferien verbringen. Ich freue mich mit und für meine großen und kleinen Tanzbegeisterten über diese positiven Aussichten – und natürlich auf das Wiedersehen im Ballettstudio!“