Willi Strasser: Ein Leben für die Lokomotive
Als Bub streckte er bei den Fahrten mit der Schwarzwaldbahn immer den Kopf zum Fenster raus, um die Dampfloks pausenlos bewundern zu können. Ein ums andere Mal holte sich der kleine Willi dabei eine rußige Nase. Diese Liebe zu den stählernen Dampfmaschinen hat ihn nie mehr losgelassen, bis zuletzt: Am Montagmittag ist Willi Strasser plötzlich und unerwartet im Alter von 83 Jahren verstorben.
Der Geruch aus Kohle, Rauch und heißem Öl erinnerte ihn immer an seine Kindheitstage. Stunde um Stunde verbrachte der Auenheimer mit seinen Loks. Wann immer er Zeit hatte, bastelte er an ihnen im Keller seines Hauses. Maßstabsgetreu baute er die Stahlrösser in Kindsgröße nach und erweckte sie zum Leben. „Das macht einen Riesenspaß, wenn am Ende die Maschine läuft“, erklärte er mir mit dem gewissen Funkeln in den Augen.
Das Handwerk eines Lokomotiven-Bauers hatte sich Strasser über die Jahre selbst beigebracht. Denn eigentlich war er Fernsehtechniker von Beruf. An den Wochenenden wurde aus dem Tüftler dann das, wovon viele Kinder träumen: Willi, der Lokomotivführer. Wer sich dem fußballplatzgroßen Gelände seines Dampfbahnclubs in Auenheim näherte, hörte schon von weitem das Kinderlachen. Kinder glücklich zu machen, mit seinen Loks: Das war seine Welt.
Mit viel Liebe und Arbeit
1977 lag das Gelände noch brach. Als es Strasser mit seinem Dampfbahnclub pachtete, witterten die Auenheimer Ende der Siebziger Jahre Ungemach. „Sie waren überzeugt, dass wir einen zweiten Europa-Park planen“, erzählte Strasser 2022 unserer Zeitung. „Andere hielten uns einfach nur für verrückt.“ Doch der Auenheimer ging seinen Weg: Mithilfe von Eisenbahnfans aus der Region und seiner Familie richtete er das Gelände mit viel Liebe und Arbeit her und baute die einmalige Dampfbahn-Modellanlage auf. Nein, in Auenheim entstand kein Europa-Park, sondern, besser, ein Erlebnispark für Lokomotiven-Fans.
Dort genoss Willi Strasser sichtlich die Ausfahrten auf den bis zu 400 Kilogramm schweren Modellen. Und mit ihm ließen sich tausende begeisterte kleine und große Eisenbahnfans die ölgetränkte Zugluft um die Nase wehen – auf dem 330 Meter langen, von Hand gefertigten Schienennetz. Diese Begeisterung war ihm Lohn genug für seine jahrelange Tüftelarbeit.
Mit ihren 15 Pferdestärken unter dem Stahlblech konnten die Zugmaschinen problemlos drei vollbesetzte Waggons oder gut drei Tonnen über die Gleise ziehen. Seine Leidenschaft, sein Lebenswerk finanzierte Willi Strasser dabei immer aus der eigenen Tasche. Freunde und Förderer unterstützten ihn nur bei Veranstaltungen.
Willi Strasser war der letzte der Gründungsmitglieder, der eine Lokomotive noch bauen konnte – von der Zeichnung des Plans, über den Guss der Bauteile bis hin zur Montage. Am 26. Oktober 1977 fuhr die letzte Dampflok bei der Bundesbahn. Das war auch ungefähr die Geburtsstunde der ersten Lokomotive, die Willi Strasser baute. Die Auenheimer Anlage ist eine der letzten ihrer Art in ganz Deutschland.
Ende einer Ära?
Endet jetzt die Ära der Auenheimer Dampfmaschinen? „Wie nun alles weitergeht, steht in den Sternen“, sagt Strassers Ehefrau Liliane. Kinder sind keine da, die alles übernehmen könnten. Fest steht zur Stunde damit nur eines: Ihr Ehemann Willi Strasser wird weiterleben – in unendlich vielen Kindheitserinnerungen.
"Auenheim verliert einen guten Freund"
Sanja Tömmes, Ortsvorsteherin von Auenheim zum Tod von Willi Strasser: "Mit großer Bestürzung haben wir vom plötzlichen Tod von Willi Strasser erfahren. Auenheim verliert nicht nur einen engagierten Bürger, sondern auch einen Wegbegleiter und guten Freund. Willi Strasser widmete sich mit viel Leidenschaft und großem persönlichen Einsatz seit 47 Jahren dem Dampfbahn-Club Auenheim. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern. Zusammen mit seiner Frau öffnete er regelmäßig das Gelände und begeistere alle mit einer Dampfbahnfahrt. Vor allem den Kleinsten zauberte er damit immer ein Lachen ins Gesicht. Wir werden ihn in guter Erinnerung behalten und wünschen seiner Frau Liliane viel Kraft in dieser schweren Zeit."