Willstätt kann letztes großes Baugebiet entwickeln
Mit großer Mehrheit hat der Willstätter Gemeinderat die Aufstellung des Bebauungsplans „Langmatt“ in Willstätt beschlossen. Es ist die letzte Flächenreserve, die bebaut werden kann.
Als Wohnstandort für Familien und ältere Menschen ist Willstätt sehr attraktiv. Die Zahl der Einwohner hat inzwischen die 10 000er-Marke überschritten; vor 30 Jahren waren es noch knapp über 7500. Daher ist die Ausweisung neuer Wohnbauflächen zu planen, um dem zu erwartenden Bedarf gerecht zu werden.
Hohe Nachfrage
Denn die Nachfrage nach Wohnbauflächen ist hoch. Das Neubaugebiet „Löhl“ in Legelshurst etwa ist „deutlich überzeichnet“, berichtete Bürgermeister Christian Huber in der jüngsten Sitzung des Gemeinderates. Und die Nachfrage komme gerade auch aus der Gemeinde selbst.
Schwieriger Spagat
Andererseits: Der Boden ist eine Ressource, die nicht beliebig vermehrbar ist. Was durch Bebauung versiegelt wird, geht für Natur und Landwirtschaft unwiederbringlich verloren. Und: Die Erschließung neuer Baugebiete und damit auch die Schaffung der dafür nötigen Ver- und Entsorgungs-Infrastruktur kostet Geld. Bauplätze zu schaffen ist Pflichtaufgabe einer Kommune. Aber diesen Spagat hinzukriegen wird angesichts der Gegebenheiten immer schwieriger. Innenentwicklung sei zwar anzustreben, so die Verwaltung – doch die dafür infrage kommenden Flächen werden im Kernort knapp.
Die Verwaltung zieht nun ihren letzten großen „Joker“ und legte dem Gemeinderat den Vorschlag zur Aufstellung des Bebauungsplans „Langmatt“ vor. Es ist die letzte Flächenreserve, die die Gemeinde noch zur Verfügung hat. Die Pläne, auf diesem rund fünf Hektar großen Areal zwischen der neuen Kinzig und der Bebauung entlang der Sandgasse ein Wohnquartier zu entwickeln, reichen schon rund zehn Jahre zurück.
Nichts überstürzen
Man wolle jedoch nichts „übers Knie brechen“, versicherte Bürgermeister Huber. Der Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans bedeute nicht automatisch den sofortigen Startschuss für das Verfahren. Man dürfe aber sich und vor allem denen, die in Zukunft Verantwortung für die weitere Entwicklung der Gemeinde tragen, keine Wege verbauen.
Zeit lassen will man sich auch aus einem anderen Grund: In Willstätt fehlt altersgerechter Wohnraum. Es seien gerade ältere Menschen, die, wenn die Kinder aus dem Haus sind, sich mit dem Gedanken tragen, aus Willstätt wegzuziehen, weil sie hier kein ihren im Alter geänderten Bedürfnissen entsprechendes Wohnraumangebot vorfinden. Es gehe daher nicht darum, Zuzug zu generieren, sondern denen, die schon in Willstätt leben, die Möglichkeit zu bieten, hier dauerhaft sesshaft zu werden, betonten Tobias Fahrner (CDU) und Timo Schlenz (Neue Liste).
Nach längerer Debatte billigte der Gemeinderat den Aufstellungsbeschluss mit 14 Ja-Stimmen bei 3 Nein-Stimmen und einer Enthaltung.
Leerer Rahmen oder Büchse der Pandora?
Der Vorschlag zur Aufstellung des Bebauungsplans „Langmatt“ löste eine längere und kontroverse Debatte im Willstätter Gemeinderat aus. Die zentrale Frage war: Kommt der Beschluss zu früh?
Ja, meinte etwa Elvira Walter-Schmidt (WAL). Es gehe schließlich um die Entwicklung eines ganzen Quartiers für bis zu 1000 Menschen. Angesichts dieser Tatsache und da man gehalten sei, mit den zur Verfügung stehenden Flächen verantwortungsbewusst umzugehen, müsse man „das Ende schon am Anfang mitbedenken“. Doch derzeit seien noch viel zu viele Fragen offen: Wie viel Zuzug kann die Gemeinde verkraften? Wie stark will die Gemeinde einwohnermäßig noch wachsen? Und wie viel Verkehr verträgt der Kernort Willstätt noch?
Sie plädierte daher dafür, noch vor dem Aufstellungsbeschluss die Bürger zu beteiligen. Sie schlug die Einrichtung eines „Bürgerrates“ vor, dem 12 bis 15 Mitglieder angehören könnten. In Österrreich etwa sei dies ein bewährtes Format – auch um alle Interessen zur Geltung zu bringen.
Die Bürger vor dem eigentlichen Projektstart zu beteiligen habe sich gerade auch in der Diskussion um die neue Ortsmitte Legelshurst bewährt, meinte ihr Fraktionskollege und Ortsvorsteher von Legelshurst, Peter Scheffel. Dies bringe den Bürgern auch ein Gefühl der Freiheit – weil sie sagen könnten: Ich bin von Anfang an dabei.
Willstätts Ortsvorsteherin Gabriele Ganz nannte demgegenüber eine Bürgerbeteiligung vor einem Aufstellungsbeschluss den völlig falschen Weg. Sie äußerte Bedenken, dass vor allem die Senioren auf der Strecke bleiben könnten. Ihre Sander Amtskollegin Ilse Türkl verwies auf Parallelen zum „Krummacker“. Dort ist zwar der Bau des Einkaufszentrums vertraglich inzwischen in trockenen Tüchern, doch ansonsten sei man dort ähnlich am Anfang wie in „Langmatt“. „Wir schaffen einen Rahmen, der leer ist“, erläuterte Bürgermeister Christian Huber den Sinn des Aufstellungsbeschlusses. „Wir ziehen damit keine Planung aus der Hosentasche.“ Der Gemeinderat habe stets die Planungshoheit.
Man solle nicht so tun, als ob der Aufstellungsbeschluss keine Auswirkungen hat, monierte hingegen Wolfgang Groth (WAL). „Wir öffnen die Büchse der Pandora“, so seine Befürchtung. Die Grundstücke würden „ratzfatz weg“ sein. Nicht zuletzt vermisste er eine klare Definition der künftigen städtebaulichen Ziele – eine Forderung, der sich auch Heiko Baumert (SPD) anschloss.
Eine schnelle Vermarktung – wie etwa im „Romhursterfeld“ in Willstätt – sei „der größte Fehler“, meinte dagegen Huber. Man rede hier über eine Entwicklungsperspektive von mehreren Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten. Es gelte, in Ruhe die Bedarfe abzuklären und danach zu handeln. „Die Botschaft hör ich wohl“, quittierte Groth die Replik, „allein mir fehlt der Glaube.“
Eckartsweiers Ortsvorsteherin Amalia Lindt-Herrmann mahnte, durch die Ausweisung des Gebiets „Langmatt“ dürfe man den Ortsteilen nicht über Gebühr Fesseln für deren eigene Entwicklung anlegen, zumal die Fortschreibung des Flächennutzungsplans ebenfalls anstehe. Und Tobias Fahrner (CDU) regte an, mit Blick auf die weitere städtebauliche Entwicklung die Vergaberichtlinien für Bauland neu zu justieren. In diesem Zusammenhang verwies Bürgermeister Huber auf den Eigenbetrieb „Baulandentwicklung“. Damit habe man ein Instrument geschaffen, das den Kernhaushalt entlasten und der Gemeinde den Druck nehmen soll, ihre „Perlen“ schnell vermarkten zu müssen.