Willstätter Delegation besucht Ganztags-Grundschulen
Der Ausbau der Ganztagsbetreuung an Schulen und Kindergärten beschäftigt derzeit die politischen Gremien in Willstätt. Die Mitglieder des Gemeinderates besichtigten dieser Tage mehrere Ganztages-Grundschulen im näheren Umkreis.
Der Bedarf an Plätzen für Kinder unter drei Jahren und die Nachfrage nach erweiterten Betreuungszeiten im Kindergarten steigt in Willstätt stetig an, ebenso der Bedarf für eine verlässliche Schulkindbetreuung auch am Nachmittag. Aktuell werden nach Angaben der Gemeindeverwaltung bereits 123 Grundschüler betreut; 85 hiervon nutzen die verlässliche Grundschule bis 14.30 Uhr und jeweils 19 die Ganztags- oder Nachmittagsbetreuung bis 17 Uhr. Wie also kann der Ausbau einer Ganztages-Grundschule aussehen und gelingen? Im Rahmen von Informations- und Besichtigungsfahrten erkundigten sich Gemeinderat, Verwaltungsspitze, Schulleitung, Lehrkräfte und Elternvertreter bei anderen Kommunen in der Umgebung über bestehende Einrichtungen.
Bohlsbach: Ganztagsschule seit sieben Jahren Pflicht
Beispiel: die Lorenz-Oken-Schule in Bohlsbach. Die Grundschule wird nun schon im siebten Jahr als gebundene Ganztags-Grundschule betrieben – es nehmen also alle Schüler am Ganztagsangebot teil. »An dieser Schule arbeiten verschiedene Fachkräfte eng zusammen, um ein ganzheitliches, stimmiges Konzept zu erfüllen«, so Schulleiterin Frédérique Kerker. »Eine gebundene Ganztagesschule ist mehr und mehr Ort des Lebens, der Erfahrung und Begegnung. In diese Entwicklung stiegen Lehrkräfte, Sozialpädagogen, Eltern, Jugendbegleiter, Vereine, verschiedene Kooperationspartner und viele andere aufgeschlossen und tatkräftig mit ein.« Lernen und Entspannen, gruppendynamische Aktivitäten und Einzelbeschäftigung könnten so entsprechend den Bedürfnissen der Kinder über den ganzen Tag verteilt werden.
Ettenheim: Eltern haben die Wahl
An der August-Ruf-Grundschule in Ettenheim dagegen entscheiden die Schüler und ihre Eltern zum Schuljahresbeginn selbst, ob sie am Ganztagsbetrieb teilnehmen oder nicht. Mit der Einführung der Ganztagsschule zum Schuljahr 2016/2017 haben die Eltern die Wahl zwischen Ganztags- oder Halbtagszweig. Knapp 60 Prozent der rund 250 Schüler haben die Ganztagsschule gewählt. Hierfür gibt es unterschiedliche Gründe, nicht zuletzt auf eigenen Wunsch der Schüler, berichtete Schulleiterin Heidrun Tschirwa. Oft will man nach dem gemeinsamen Mittagessen doch noch mit dem Freund oder Freundin eine AG besuchen. Da die Kinder gemeinsam unterrichtet werden, findet am Nachmittag kein Unterricht statt, sondern es bleibt Zeit für Aktivitäten und Angebote.
Vorteile auch für die Lehrer
Die Delegation aus Willstätt nahm bei den Besuchen auch die Situation der Lehrkräfte in den Blick. Nach Aussage der Schulleitungen lässt der längere Betreuungszeitraum auch größere Spielräume bei der Stundenplangestaltung zu. Dies komme den Lehrern zugute, die ja selbst auch Familie haben.
Rahmenbedingungen sind zu berücksichtigen
Bei einer Entscheidung über Form oder Standort einer Ganztags-Grundschule für Willstätt müssen die Rahmenbedingungen (es gibt drei einzügige und eine zweizügige Grundschule) und die vorhandenen Raumkapazitäten bedacht werden. Um die Interessen aller Beteiligten auf- und wahrzunehmen wird die Gemeindeverwaltung in Kürze zu weiteren Informations- und Diskussionsveranstaltungen einladen.
Ministerium sieht Vorteile
Nach Ansicht des Kultusministeriums lernen Kinder in einer Ganztagsschule mehr und besser. Denn es geht eben um mehr als eine Halbtagsschule mit anschließender Nachmittagsbetreuung. Die Ganztagsschule bietet den Kindern mehr Raum zum Lernen, aber auch für soziales Miteinander oder kulturelle und sportliche Angebote. Damit können die Schulen den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden. Um den Schülern ein möglichst breites Angebot machen zu können, können die Schulen auch Verbände und Vereine einbeziehen. So öffnen sie den Kindern den Zugang in die Vereinswelt und zu den kulturellen Angeboten ihrer Gemeinde.
Vor allem aber sorgen Ganztagsschulen laut Ministerium für mehr Bildungsgerechtigkeit. Sie tragen dazu bei, dass der Bildungserfolg eines Kindes nicht mehr so stark von seiner Herkunft abhängt. Denn in der Ganztagsschule werden Kinder mehr gefördert. Hausaufgaben werden in der Schule unter Aufsicht der Lehrkräfte erledigt. Und zwar von Beginn der Schulzeit an, wenn die Grundlagen für spätere Bildungserfolge gelegt werden.
Der Ausbau der Ganztagsgrundschulen trägt nach Ansicht des Ministeriums auch zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei. Die Familien bekommen so Sicherheit bei der Betreuung ihrer Kinder vom ersten Lebensjahr bis zum Ende der Grundschule.
Mehrheit der Eltern dafür
Eine große Mehrheit der Eltern will eine Ganztagsschule für ihre Kinder. Laut einer Emnid-Studie von 2012 wollen nur 28 Prozent der Eltern ihre Kinder auf eine klassische Halbtagsschule schicken; 70 Prozent würden eine Ganztagsschule bevorzugen.
Die individuelle Förderung steht dabei im Mittelpunkt. Dabei spielt selbstständiges und eigenverantwortliches Lernen eine wichtige Rolle. Das heißt auch: Statt Hausaufgaben gibt es von Lehrern betreute Übungszeit in der Schule. Das entlastet Familien vom täglichen Hausaufgaben-Stress. Und wenn die Kinder am Nachmittag aus der Schule kommen, haben sie Zeit für Familie, Vereine oder Freizeitaktivitäten.