Willstätt

Willstätter Pillen-Opfer will weiterkämpfen

Felicitas Rohrer
Lesezeit 4 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
15. June 2015
Show linked article
Felicitas Rohrer (Willstätt, links) und Kathrin Weigele von der Selbsthilfegruppe Drospirenon-Geschädigter sprachen vor wenigen Tagen vor der Aktionärshauptversammlung von Bayer.

Felicitas Rohrer (Willstätt, links) und Kathrin Weigele von der Selbsthilfegruppe Drospirenon-Geschädigter sprachen vor wenigen Tagen vor der Aktionärshauptversammlung von Bayer. ©CBG

Willstätt/Köln. Es ist Mittwoch, 5 Uhr morgens. Ich bin auf dem Weg nach Köln. Ziel ist die Aktionärshauptversammlung von Bayer. Ich werde dort mit Kathrin Weigele, einem Gründungsmitglied unserer Selbsthilfegruppe, und weiteren Betroffenen vor und in der Messehalle Bayer dazu auffordern, die drospirenonhaltigen Antibabypillen vom Markt zu nehmen.
Das vergangene Jahr seit der letzten Hauptversammlung war belastend für uns. Die Opferzahlen steigen und Bayer ließ lediglich verlauten, dass die drospirenonhaltigen Antibabypillen weiterverkauft werden, so lange die Einnahmen die Entschädigungszahlungen übersteigen. So viel Profitgier und Arroganz lässt einen entweder frustriert und fassungslos zurück oder gibt erst recht den Anstoß, tätig zu werden. Wir entschieden uns für Letzteres. Dennoch fahre ich mit gemischten Gefühlen nach Köln, gesundheitlich angeschlagen, voller Wut, Motivation und Anspannung, was uns erwarten würde.
Nach vier Stunden bin ich endlich an der Messe Köln-Deutz. Ein Kamerateam, das mich seit über einem Jahr begleitet, wartet schon auf mich, viele Demonstranten mit unterschiedlichen Anliegen und auch die ersten »unserer« Betroffenen sind da und begrüßen die Aktionäre mit Plakaten und Flyern. Die meisten gehen an uns vorbei, wollen mit den Schattenseiten »ihres« Konzerns nichts zu tun haben. Nach zwei Stunden ist das Ganze vorbei: Wir haben mit der Presse gesprochen, die nicht mit in die Messehalle darf, und viele Flugblätter verteilt. Erstmal durchatmen. Dann wollen auch wir in die Halle und ich werde an der Sicherheitsschleuse wegen der Plakate aufgehalten. Nach einigen Diskussionen mit mehreren Bayer-Vertretern darf ich doch durch. Wir haben Eintrittskarten sowie ein Rede- und Stimmrecht von den Kritischen Aktionären und der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) erhalten.
Der aktuelle Geschäftsbericht und die Reden des Vorstands sind schon gehalten, nun heißt es warten. Je nach Brisanz des Themas verschiebt Bayer Reden nach hinten, sodass sie von einer immer geringer werdenden Zahl von Aktionären gehört werden. So auch dieses Jahr. Dann wird auch noch die Redezeit »aufgrund von Zeitmangel« von zehn auf sieben Minuten verkürzt.
Voller Angriffslust und mit Wut im Bauch schleudern Kathrin und ich dem Vorstand die Worte um die Ohren, sprechen von den 28 Todesfällen in Deutschland, den 14 in Frankreich und den über 200 in den USA, wissend, dass dies nur die offiziell bestätigten Zahlen sind. Zitieren die unabhängigen Studien. Prangern an, dass europäische Opfer bis heute auf Entschädigung warten, während in den USA bereits
1,9 Milliarden Dollar gezahlt wurden. Nach der Rede wollen wir dem Vorstand kleine Plakate mit Fotos der toten Frauen überreichen. Wie zu erwarten war, hält uns die Security auf und nimmt uns die Plakate ab.
Tränen vor Wut
Die Reaktion des Vorstands auf unsere Rede? Fast genau gleich wie in den letzten Jahren. Wir können es nicht mehr hören, Kathrin verlässt den Raum und mich überkommen vor lauter Wut die Tränen. Dieser Kampf, dieser Tag, das geht an die Substanz. Erschöpft und ausgelaugt fahre ich nach zehn Stunden Aufenthalt noch am gleichen Tag wieder zurück. Ich brauche mehrere Tage, um mich von den körperlichen und emotionalen Strapazen zu erholen.
Bereits am nächsten Morgen habe ich ein Radiointerview, in den folgenden Tagen kommen Anfragen für Fernsehinterviews rein. Die Klickzahlen auf unserer Homepage sind in die Höhe geschnellt. Und just am Tag der Hauptversammlung kam eine neue Studie heraus, die das höhere Thromboserisiko der neuen Antibabypillen bestätigt. Es ist ein gutes Gefühl, weiterhin zu wissen, dass man im Recht ist. Und deshalb werden wir weiterkämpfen und an die Öffentlichkeit gehen. Nicht zuletzt für all diejenigen, die nicht mehr berichten können.

Zur Person

Felicitas Rohrer

Die Willstätterin Felicitas Rohrer, die früher in Goldscheuer lebte, erlitt 2009 eine doppelte Lungenembolie mit akutem Atem- und Herzstillstand – mutmaßlich als Folge der Einnahme der drospirenonhaltigen Antibabypille »Yasminelle« von Bayer. Drospirenon ist ein Hormon, das im Verdacht steht, dem Körper zu viel Wasser zu entziehen.
Rohrer überlebte nur knapp und hat bis zu ihrem Lebensende mit Folgeschäden zu kämpfen. Wer Antibabypillen der dritten und vierten Generation, wie »Yasmin«, »Yasminelle«, »Yaz«, »Aida« und »Petibelle«, einnimmt, hat ein höheres Risiko, eine Thrombose zu erleiden, als dies bei älteren Pillen der Fall ist. Dies belegen etliche Studien, war aber zum Zeitpunkt der Einnahme der gesunden Nichtraucherin Rohrer nicht im Beipackzettel aufgeführt. Sie hat den Bayer-Konzern daher im April 2011 auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt. Bayer lehnt bis zum heutigen Zeitpunkt jede Verantwortung ab und belässt die Pillen der Yasmin-Familie weiterhin auf dem Markt. Felicitas Rohrer hat mit Mitstreiterinnen die Selbsthilfegruppe Drospirenon-Geschädigter gegründet, die über alle Fakten und Studien aufklärt und Erfahrungsberichte sammelt (www.risiko-pille.de).

Mehr zum Thema

Weitere Artikel aus der Kategorie: Kehl

Der Künstler Manfred Weig (2. von rechts) mit dem Vorstandsvorsitzenden der Diakonie Kork, Frank Stefan (rechts), sowie Elke Hoffmann (links) und Klaus Gras.
vor 52 Minuten
Kehl
Die Ausstellung mit Bildern von Manfred Weig in der Kinderklinik Kork wurde bis zum 6. Januar verlängert. Die Diakonie Kork und die Bürgerstiftung präsentieren „fröhliche Menschen“.
Ralf Schäfer wurde von Ratsmitglied Uwe Lutz auf sein neues Amt als Ortsvorsteher von Eckartsweier verpflichtet. 
vor 4 Stunden
Willstätt - Eckartsweier
Eckartsweier hat mit Ralf Schäfer seit Dienstag wieder einen „ordentlichen“ Ortsvorsteher.
Die Sperrung der Legelshurster Straße wird über die Wintermonate aufgehoben.
vor 7 Stunden
Willstätt - Legelshurst
Gute Nachricht für Anwohner und Autofahrer: Die Sperrung der Legelshurster Straße in Legelshurst wird vorübergehend aufgehoben. Im Frühjahr sollen die Arbeiten weitergehen.
Märchenerzählerin Katrin Bamberg zog die Schüler der 5. Klassen des "Einsteins" schnell in ihren Bann.
vor 9 Stunden
Kehl
Märchenerzählerin Katrin Bamberg besuchte die 5. Klassen des "Einsteins".
Mit einer Sprühflasche bringt eine Kabs-Mitarbeiterin den biologischen Wirkstoff Bti in Wasseroberflächen ein. Das Bakterium hindert Larven der Asiatischen Tigermücke daran, sich zu adulten Tieren zu entwickeln. Die Stadt wird diese Form der aktiven Bekämpfung nicht weiter finanzieren.
vor 16 Stunden
Invasive Art
Das aus dem asiatischen Raum stammende Insekt ist aus Kehl nicht mehr zu vertreiben. Deshalb stellt die Stadt die teure aktive Bekämpfung durch die Kabs im kommenden Jahr ein.
Die Kulturfabrik ist heute kultureller Mittelpunkt der Dreiergemeinde.
vor 19 Stunden
Kehl - Goldscheuer
Der runde Geburtstag der Kulturfabrik soll Mitte Oktober gefeiert werden. Zugleich will man dem Haus, das einst eine Zigarrenfabrik war, neues Leben einhauchen.
vor 21 Stunden
Kehl - Goldscheuer
Zu einem Polizeieinsatz ist es am Mittwochmorgen vor einer Grundschule in Kehl-Goldscheuer gekommen. Eine Frau im psychischen Ausnahmezustand lief mehreren Zeugen zufolge mit einem Messer im Umfeld der Schule herum. Sie wurde vor dem Betreten der Schule festgenommen.
Bei einer Kontrolle an der Grenze in Kehl wurde der 43-Jährige aufgehalten.
vor 22 Stunden
Kehl
Ein russischer Mann ist am Donnerstag in Kehl am Grenzübergang mit drei als vermisst gemeldeten Kindern kontrolliert worden. Dabei handelte es sich um seine eigenen Kinder, die er gegen den Willen der Mutter in seine Heimat bringen wollte.
Im alten Neumühler Schulhaus sind drei Vereine untergebracht.
vor 22 Stunden
Kehl - Neumühl
Die nach Kritik aus einigen Ortschaften „entschärfte“ Fassung der neuen Vereinssatzung fand im Ortschaftsrat Zustimmung. Auch der Gemeinderat hat die Satzung mittlerweile abgesegnet.
Der Gemeinderat hat im Rahmen einer Sitzung im Rathaus den Doppelhaushalt 2025/26 verabschiedet.⇒Collage: Christel Stetter-Golderer/Archivfoto: Stadt
12.12.2024
Kehl
Bis auf eine Ausnahme stimmen alle Gemeinderatsfraktionen für den Haushalt. Auffallend sind Fehlbeträge bei den Finanzmitteln über rund 91 Millionen Euro für beide Jahre. Zudem nimmt die Stadt für beide Haushaltsjahre insgesamt mehr als 40 Millionen Euro Kredite auf.
12.12.2024
Kehl
Zwei bislang unbekannte Täter versuchten am Dienstagnachmittag in Kehl ein Fahrzeug zu stehlen. Sie scheiterten zwar, jedoch wurde der Besitzer körperlich verletzt. Die Polizei sucht Zeugen.
Dirigentin Christine Oßwald und die Jugendkapelle „Notenchaoten“ sorgten für einen schönen Auftakt beim Jahreskonzert des Musikvereins Legelshurst.
12.12.2024
Willstätt - Legelshurst
Der Musikverein Legelshurst überzeugte beim Jahreskonzert am Samstag in der Festhalle. Die Musiker nahmen das Publikum mit auf eine fantastische Reise durch Zeit und Raum.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Seit der Gründung im Jahr 1994 ist das Schwarz-Team auf 50 Mitarbeitende angewachsen.
    07.12.2024
    Schwarz GmbH in Berghaupten feiert 30-jähriges Jubiläum
    Gegründet von Michael Schwarz in einer Mietwohnung in Gengenbach, entwickelte sich das Unternehmen zum regionalen Ansprechpartner rund um Elektro- und Sicherheitslösungen. 50 Mitarbeitende – Meister, Gesellen und Fachkräfte kümmern sich um die Belange der Kunden.
  • Das Team von Möbel-Seifert geht neue Wege und hat einen YouTube-Kanal auf die Beine gestellt. Links: Emanuel Seifert, rechts Sebastian Seifert. 
    07.12.2024
    Inspiration, Tipps und Einblicke in die Welt des Möbelkaufs
    Möbel Seifert, einer der führenden Möbel- und Küchenhändler in der Region, geht neue digitale Wege und startet seinen eigenen YouTube-Kanal. Ab sofort erhalten Kunden, Designliebhaber, Möbel- und Kücheninteressierte exklusive Einblicke und praktische Tipps.
  • Abschied: In diesem Jahr verzaubert der Triberger Weihnachtszauber zum letzten Mal die Besucher.
    06.12.2024
    25. bis 30. Dezember: Triberger Weihnachtszauber sagt Adieu
    Zum letzten Mal lädt der "Triberger Weihnachtszauber" vom 25. bis 30. Dezember seine Besucher aus ganz Europa in eine zauberhafte Weihnachtswelt mit einer Million Lichtern an Deutschlands höchsten Wasserfällen ein.
  • Gesundheit, Rehabilitation und Wohlbefinden: Das Top-Life Gesundheitszentrum Benz in Berghaupten hat alles unter einem Dach. 
    05.12.2024
    Weihnachtsspecial im Top-Life Gesundheitszentrum Benz
    Das Top-Life Gesundheitszentrum Benz in Berghaupten setzt Maßstäbe in der Ortenau, wenn es um Gesundheit, Fitness und Wohlbefinden geht. Im Advent tritt das Team den Beweis an, dass man Gesundheit und Freude auch ein Stück weit verschenken kann.