Angehörige erfahren nach 80 Jahren vom Schicksal ihres Großonkels

Magdalena Podzinska (von links) und Marek Podzinski sowie Dolmetscherin Izabela Kluczyk-Keller an der Gedenkstätte. Hans Harter fasst die Geschehnisse zusammen. ©Michael Buzzi
Es war ein dunkles Kapitel in der Geschichte Schiltachs, als am 14. Januar 1942 der polnische Zwangsarbeiter Bernard Podzinski im Zellergrund von Vertretern des NS-Regimes aufgrund eines „Geschlechtsverkehr-Verbrechens“ hingerichtet wurde. Seit 1946 erinnert der sogenannte Polenstein im Gründlebühl an das Verbrechen. Da mit der geplanten Umgestaltung des Geländes rund um das Gedenkkreuz für die Opfer der Weltkriege am Schrofen auch das Denkmal dorthin versetzt werden soll, machte sich der Historische Verein Schiltach/Schenkenzell auf die Suche nach Verwandten des Opfers. Vergangene Woche waren nun Magdalena Podzinka und Marek Podzinski zu Besuch in Schiltach.
Die Angehörigen ausfindig zu machen, das war ein langwieriger Prozess, berichtet Markus Armbruster, Vorsitzender des Historischen Vereins Schiltach/Schenkenzell. Über die Gedenkstätte Eckerwald, den polnischen Pfarrer Peter Pajor in Rottweil und den Archivar der Diözese in Polen gelang es schließlich nach über zwei Jahren Recherche, Marek Podzinski zu finden.
Spur verlor sich
Er ist der Enkel des Bruders von Bernard Podzinski und lebt mit seiner Frau Magdalena in Gostynin, das etwa 150 Kilometer westlich von Warschau liegt. Dort in der Nähe wurde 1914 auch Bernard Podzinski geboren. Sein Großneffe wusste allerdings bis zur Kontaktaufnahme durch den Historischen Verein nichts vom Verbleib seines Verwandten. „Niemand hat über ihn gesprochen. Seine Spur verlor sich in Österreich“, erzählt Podzinski.
Beim Besuch in Schiltach erfuhren er und seine Frau nun mehr über das Schicksal. Auf einem Rundgang mit Archiv- und Museumsleiter Andreas Morgenstern, Markus Armbruster und Reinhard Mahn vom Historischen Verein, Bürgermeister Thomas Haas und Dolmetscherin Izabela Kluczyk-Keller am Freitag ging es zu den Lebensstationen des polnischen Offiziersanwärters, der 1939 in deutsche Gefangenschaft geriet.
Halt wurde etwa vor dem Haus in der Hauptstraße gemacht, in dem Podzinski untergebracht war. Da das NS-Regime sich weigerte, polnische Soldaten als Kriegsgefangene anzuerkennen, musste er Zwangsarbeit verrichten. So kam er 1940 nach Schiltach zum Fuhrbetrieb von Fritz Sautter, berichtete Morgenstern.
Umgang streng verboten
Im Haus wohnte auch Amalia Fischer aus Offenburg mit ihrer kleinen Tochter. Während ihr Mann eingezogen war, wurde sie zur Firma Hansgrohe dienstverpflichtet. Ob Fischer und Podzinski eine Liebesbeziehung eingingen, ist nicht belegt. Der Umgang zwischen Zwangsarbeitern und Deutschen war streng verboten. Ein weiterer Hausbewohner denunzierte daher die beiden. Womöglich hatte dieser selbst Interesse an Fischer, worauf diese aber nicht eingegangen sei. Nicht nur der Pole musste dies mit seinem Leben bezahlen. Auch Amalia Fischer kam ins KZ Ravensbrück, wo sich ihre Spur verliert.
„Es war Krieg, der seine Opfer forderte“, zeigte sich Magdalena Podzinska versöhnlich. Am Samstag legten die Podzinskis mit Vertretern von Stadt und Gemeinderat an dem Gedenkstein ein Kranz nieder. Historiker Hans Harter erklärte außerdem, wie die Gedenkstätte künftig aussehen wird. „Es war wichtig, diese Geschichte zu erzählen und zu dokumentieren, dass das Schicksal nicht vergessen wurde“, zog Morgenstern Fazit.