Inklusion im Kinzigtal (14)

Blinder kann auf Hilfe zählen - und ist gern selbstständig

Claudia Ramsteiner
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14. April 2017

(Bild 1/2) Hubert Rauber in seiner Korbmacherwerkstatt. Faszinierend, wie er seine schönen Korbwaren nur mit dem Gefühl in den Händen flicht. ©Claudia Ramsteiner

Wenn jeder Mensch mit und ohne Behinderung überall dabei sein kann, dann nennt man das eine gelungene Inklusion. In einer Serie beleuchten wir die Inklusion im Kinzigtal – wo sie gelingt und wo es noch hapert. Heute: Hubert Rauber aus Oberwolfach.

Inklusion – Hubert Rauber bezieht das zunächst einmal nur darauf, dass behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam unterrichtet werden und ist nicht uneingeschränkt dafür. »Wenn Kinder merken, dass sie mit den anderen nicht mithalten können, wird das einige auch unglücklich machen. Sie gehen sicher lieber mit ihresgleichen in eine Klasse.« 

Der Oberwolfacher ging damals mit seinesgleichen zur Schule – in einer Klasse mit blinden und sehbehinderten Schülern in Schramberg-Tennenbronn. »Eine weitläufige Truppe«, macht er das große Einzugsgebiet dieser Sonderschule deutlich. Seine Eltern hatten es probiert, ihren Jungen, der schon blind zur Welt gekommen war, in die Oberwolfacher Dorfschule zu schicken. »Aber es ging nicht. Der Lehrer konnte die Blindenschrift nicht«, erzählt er.

Im Oberwolfacher »Posthörnle« aufgewachsen

Hubert Rauber ist im Oberwolfacher »Posthörnle« aufgewachsen, einem Wirthaus mitten im Dorf. So war er stets unter Menschen und fühlte sich im Dorf immer gut angenommen. »Ich habe von Kind auf dazugehört«, fühlte er sich zumindest gesellschaftlich nicht benachteiligt, weil er nichts sehen kann. Bei geistig behinderten Menschen möge das früher vielleicht anders gewesen sein. 
Was sich aber vor allem verändert habe, seien die technischen Hilfsmittel, die blinden Menschen den Alltag erleichtern. Dass man sich einen Brief vom Computer vorlesen lassen kann, dass ihm ein Farberkennungsgerät bei der Auswahl seiner Kleidung hilft, damit er unter Sehenden nicht auffällt, und dass ihm ein Lichtdetektiv vor dem Schlafengehen anzeigt, in welchen Räumen noch das Licht brennt, das alles helfe ungemein. 

Der 62-Jährige freut sich über die vielfältige Hilfe in seinem Umfeld. Sei es, dass er zu Unternehmungen abgeholt wird, oder dass die Metzgerei oder die Bäckerei auch mal die Einkäufe vorbeibringen, wenn er sie telefonisch bestellt. Dennoch ist Hubert Rauber gern unabhängig, und da schätzt er die technischen Hilfsmittel.

Selbstständigkeit war ihm immer schon wichtig

Als sein Bruder und seine Mutter noch lebten, hätten sie ihm manchmal mehr abgenommen, als gut für ihn war. Die Selbstständigkeit war ihm vorher schon wichtig, und das habe sich als richtig erwiesen, als vor zehn Jahren sein Bruder und ein Jahr später seine Mutter starben. 

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»Seither wurstle ich mich gut allein durch«, lächelt er und öffnet ein Fenster, weil das Summen einer Biene die Unterhaltung stört. Seinem Wohnzimmer ist nicht anzusehen, dass hier ein Blinder lebt. Auf den Fenstersimsten stehen Pflanzen, Familienbilder hängen an der Wand, in der Schrankwand steht ein Fernseher.

Was im Tal passiert, bekommt er unten in der Wirtschaft mit

Hier läuft oft der Nachrichtensender n-tv. Er möchte schließlich auf dem laufenden sein, was in der Welt passiert. Was im Tal passiert, bekommt er unten in der Wirtschaft mit, wo er gern mal mit anderen ein Bier trinkt oder vespert, wenn ihm nach Gesellschaft ist. Das Angebot »Zeitung zum Hören« des Offenburger Tageblatts hat er auch schon ausprobiert – aber wieder verworfen. Da dort mehrere Zeitungen gesammelt  vorgelesen werden, sei ihm das nicht aktuell genug. »Vieles ist schon vorbei, bevor ich’s überhaupt gehört habe.« Und der Computer stolpere über die schmalen Zeitungsspalten.
Da ist es ihm lieber, seine Nachbarin kommt ab und zu mal vorbei und liest ihm aktuelle Artikel vor. Trotz der Dankbarkeit über die vielfältige Hilfe am liebsten selbstständig sein – das gilt auch für die Arbeit. Nach seinem Hauptschulabschluss in Heiligenbronn hat er dort auch eine Korbmacherlehre absolviert und noch einige Jahre gearbeitet. Bis nach einem Umbau die ohnehin beengte Werkstatt noch enger wurde. »Da habe ich mich auf eigene Füße gestellt und mir daheim eine Werkstatt eingerichtet.«

Mit der Zusicherung seiner Lehrmeisterin, er könne jederzeit zurückkommen, fiel der Neuanfang leicht. Das liegt nun schon 34 Jahre zurück. Morgens und nachmittags arbeitet er hier in der Dachstube voller Weidengerten einige Stunden an Einkaufs- und Obstkörben, Reparaturarbeiten oder, wie jetzt gerade, am Einflechten einer »Schnapsgutter«.

Beim Akkordeonspielen und Singen hat er keinerlei Handikap

Auch wenn Hubert Rauber das Wort Inklusion nicht auf sich bezieht – so prägt es doch sein Leben, dass er eine gute Arbeit hat und seine Hobbys ausleben kann. Musik und Gesang bringen ihn anderen Menschen nahe – und beim Akkordeonspielen und Singen hat er keinerlei Handikap. Nachdem ihm ein Akkordeonist die Grundbegriffe beigebracht hat, hieß es »üben, üben, üben«. Noten braucht er nicht. Er hört sich die Lieder im Radio oder auf CD an und spielt sie dann nach. 

Gerade an Weihnachten oder an der Fasnacht ist er mit seiner »Quetsche« ein gefragter Mann. Früher sang er im Männergesangverein, später im Chor »Arrabiata« – und heute fühlt er sich sehr wohl im Jazzchor der Musikschule in Hausach. Seine Mitsänger holen ihn ab und bringen ihn nach der Probe auch wieder nach Hause. Und damit er den anderen, die die Texte und Noten lesen können, beim Proben kein Klotz am Bein ist, nimmt er sich die Lieder auf seinem »Plextalk pocket« auf und übt sie zu Hause. Das hätte er sich als junger Mensch nie zu träumen gewagt, was es heute für hilfreiche Apparate gibt. 

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