Der Handel mit den Ökopunkten
Wer in die Natur eingreift, kann nur eine Genehmigung erwarten, wenn er dafür einen Ausgleich schafft. Und wer diesen selbst nicht schaffen kann – der kann auch andere dafür bezahlen, dass sie diesen Ausgleich schaffen. Viele Gemeinden führen deshalb bereits ein Ökopunkte-Konto.
Der Wald ist die »Sparkasse« des Waldbesitzers. Und das gilt längst nicht mehr nur für das Wirtschaftsprodukt Holz, sondern auch für die Naturschutzfunktion. Die Gemeinde Gutach füllt 2017 beispielsweise ihre Sparkasse, auch »Ökopunktekonto« genannt, ordentlich auf.
So einen Bewirtschaftungsplan, wie ihn Silke Lanninger, Leiterin der Wolfacher Außenstelle des Amts für Waldwirtschaft Ortenaukreis, und Revierleiter Frank Werstein am Mittwoch dem Gutacher Gemeinderat für seinen Gemeindewald vorstellten, wurde bisher im Kinzigtal und vermutlich im ganzen Ortenaukreis noch nicht vorgestellt – auch wenn inzwischen viele Gemeinden ein Ökopunktekonto haben. Über den Holzverkauf wird die Gemeinde im kommenden Jahr ziemlich magere 11 380 Euro erlösen.
Wer die fetten Ausgaben für die Holzernte den Holzerlösen gegenüberstellt, könnte zunächst auf die Idee kommen, dass im Gutacher Wald nicht besonders wirtschaftlich gearbeitet wird. Doch weit gefehlt. Viele Arbeiten, die hier recht aufwendig geleistet werden, dienen gar nicht vordergründig dem Holzverkauf, sondern dem Naturschutz. Und das wird sich spätestens dann in klingender Münze auszahlen, wenn mal wieder ein Investor mit seiner Baumaßnahme in die Natur eingreift und dafür einen Ausgleich schaffen muss.
FBG schafft Auerhuhnhabitat als Ausgleich zur Windkraft
Kann er diesen nämlich nicht selbst schaffen, darf er sich solche Maßnahmen auch einkaufen. Und hier kommt das immer dicker werdende Ökopunktekonto der Gemeinde Gutach ins Spiel. »So können sich die Wirtschaftsfunktion und die Naturschutzfunktion des Waldes hervorragend ergänzen«, betont Frank Werstein im Gespräch mit dem Offenburger Tageblatt. Und das gilt nicht nur für den Gemeindewald, sondern auch für die Forstbetriebsgemeinschaft (FBG).
Dort ging der Revierleiter einen ganz anderen Weg. Die FBG schloss beispielsweise mit dem Investor der Windkraftanlagen auf der Prechtaler Schanze einen Vertrag ab, dass die Gutacher Waldbauern die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen erbringen. »So hatten nicht nur die Grundstücksbesitzer ihre Pachteinnahmen aus der Windkraft, sondern auch andere Waldbauern konnten durch Ausgleichsflächen davon profitieren«, erläuterte Werstein.
Das kommunale Ökokonto der Gemeinde Gutach sei noch kein Alleinstellungsmerkmal, verweist der Teninger Diplom-Biologe Alfred Winski (siehe »Stichwort«) auf andere Gemeinden wie Hornberg, die ähnlich arbeiten. Aber auch die Gutacher FBG hat bereits 70 Hektar Ausgleichsfläche geschaffen, die zu den zehn im Gemeindewald noch hinzukommen. »In dieser Dimension dürfte das im Ortenaukreis einmalig sein«, schätzt Frank Werstein.
Neben wirtschaftlichem auch ökologischer Wert
Was kann man denn in einem Wald tun, damit dieser einen Mehrwert für die Natur bringt? Der leidenschaftliche Förster erläutert dies anhand seines »Steckenpferds«, des Wildkirschenwalds im Gutacher Untertal. Dieser bietet pro Hektar rund 25 Vogelbrutpaaren Unterschlupf. In einem Nadelwald wie oben auf dem Bild zu sehen, sind es gerade mal drei bis vier. Wie soll hier in der totalen ökologischen Verarmung ein Reh überhaupt Nahrung finden?, fragt der Förster rhetorisch. Auf 100 Hektor Waldfläche wie in dem Kirschwald könnten durchaus 30 bis 40 Rehe leben.
Schon starke Durchforstungsmaßnahmen wie am Farnbergfelsen könnten aber auch in Nadelwäldern enorme ökologische Verbesserungen bringen, indem Licht auf den Waldboden fällt und eine üppige Flora sprießen lässt. Da jede Pflanzenart wieder zahlreichen Tierarten als Lebensraum diene, entstehe dadurch eine üppigere Tierwelt. Durch das Einbringen von Eichen könne beispielsweise die Artenvielfalt deutlich erhöht werden, da allein an der Eiche mehr als 1000 verschiedene Insektenarten zu zählen seien.
Ökopunkte 2017
Am Offenbacher Eckle entsteht über Jahre hinweg ein Auerhuhn-Habitat, das insgesamt 232 325 Ökopunkte bringen wird. Eine weitere Maßnahme am Farnbergfelsen sind 189 437 Ökopunkte wert. Allein die vier Eingriffe, die im Gutacher Gemeindewald im nächsten Jahr geplant sind, um die beiden Ziele zu erreichen, sind 105 440 Ökopunkte wert. Rechnet man für den Punkt 20 Cent – oft wird auch deutlich mehr bezahlt – bringt allein der Naturschutz der Gemeinde 21 088 Euro.
Ökopunktekonto
Die Ökokonto-Verordnung (ÖKVO) trifft landeseinheitliche Regelungen für die Anerkennung und Bewertung von zeitlich vorgezogenen Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege (Ökokonto-Maßnahmen), die zu einem späteren Zeitpunkt mit einem Vorhaben, das in die Natur eingreift, verrechnet werden können.
Das Ökokonto eröffnet die Möglichkeit, Maßnahmen zur Aufwertung von Biotopen zur Verbesserung von Bodenfunktionen und Wasserhaushalt oder zur Förderung seltener Arten durchzuführen. Neben der vorzeitigen Aufwertung des Naturhaushalts hat das Ökokonto auch Vorteile für Vorhabenträger, die einen Eingriff planen. Sie können sich, wenn sie nicht selbst über geeignete Flächen für Kompensationsmaßnahmen verfügen, Ökopunkte »kaufen«.
Der Teninger Diplom-Biologe Alfred Winski hat sich darauf spezialisiert, aus den Naturschutzmaßnahmen nach den Vorgaben des Landes die Ökopunkte zu errechnen. Er erklärt das so: Ein Quadratmeter Fichtenwald bringt 12 bis 14 Punkte. Macht man daraus ein Auerhuhn-Habitat, wird das aufgewertet auf 23 Punkte. Die Differenz wird dem Ökopunktekonto gutgeschrieben.