Der mühsame Kampf ums Überleben
»Es ist die letzte diesjährige Runde von ›Kultur im Stadtgarten‹«, sagte Andreas Morgenstern am Freitag bei der Begrüßung der vielen Gäste. Die Autorenlesung von Helga Harter und ihrer Tochter Sara aus ihrem historischen Roman »Hausierer-Sophie« war in den Saal des »Adler« verlegt worden – denn draußen regnete es in Strömen.
Passend mit Hausierer-Rucksack und einem Tragekorb ausgestattet und in historischer Kleidung betraten die Autorin Helga Harter aus Furtwangen und ihre zweitjüngste Tochter Sara den Saal und nahmen am mit alten Fotos drapierten Tisch Platz. »Es geht um das schwere Schicksal einer tapferen Frau, das ich vor dem Vergessen bewahren will«, beschreibt Helga Harter ihre Motivation zu ihrem Roman »Hausierer-Sophie«, der sich mit dem Leben ihrer Urgroßeltern in Lehengericht in der Zeit der Not und der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg beschäftigt. Es ist nach »Zu arm zum Träumen?« ihr zweites Buch.
Mühsames Leben
Ausgiebig und langwierig waren ihre Recherchen, um Licht in das Dunkel des Vergessens um das ebenso mühsame wie tapfere Leben der »Hausierer-Sophie« zu bringen. Im Schiltacher Rathaus, in Archiven und Museen hat sie nach dem Leben ihrer Urgroßmutter Sophie Bossert und deren Manns Mathias geforscht und die vielen Einzelheiten, angereichert mit eigener Dichtung, zu einem in sich geschlossenen Roman verdichtet.
Es war ein hartes Leben, das viele durch den Krieg aus der Bahn geworfene Menschen in einer Zeit der galoppierenden Inflation lebten, als etwa eine Briefmarke eine Million Mark kostete. Mathias Bossert hatte durch den Krieg seine Anstellung »beim Junghans« verloren. Er schlug sich als Hausierer durch und »er repariert alles«.
Da wurde Sophies 16-jährige Tochter Anna schwanger, sie wurde von einem angesehenen Bürger vergewaltigt. Die Tat wurde Mathias, dem verachteten Hausierer und »Nichteinheimischen«, in die Schuhe geschoben und er musste für zwei Jahre ins Gefängnis nach Wolfach. Nun wurde die Not erst richtig groß, denn Sophie musste die Familie samt Annas Sohn Ernst allein durchbringen: Sie wurde zur »Hausierer-Sophie« und musste die ganze Verachtung erleben, die ihr entgegenschlug.
Abwechselnd lasen Mutter und Tochter aus dem Buch vor, spielten die Musik der »Goldenen Zwanziger« ein und zeigten all den Krimskrams aus ihrem Rucksack, den ein Hausierer von Haustür zu Haustür trug. Ihre Tochter Sara schilderte, »wie alles angefangen hat«: Zuerst wurden für ein Familienbuch Fotos gesammelt. Dabei sei ihr aufgefallen, dass Sophie auf allen Bildern so traurig ausgesehen habe. Ihr Großvater habe viel und mit großer Achtung vor ihrer Leistung von ihr erzählt.
Cover gestaltet
Zwei Jahre habe ihre Mutter an diesem Roman gearbeitet. Sara habe großen Anteil an dem Buch gehabt, erklärte Helga Harter. So habe sie etwa das Cover gestaltet. »Und ich habe am Schluss der traurigen Geschichte etwas herumgebastelt«, gestand Sara, »denn der Leser soll das Buch zufrieden zuklappen können.«
Auch das nächste Werk hat Helga Harter bereits auf dem Schirm. Es ist die Geschichte von Isabel Harter in Zeiten von Krieg und Inflation. »Aber das dauert noch«, mahnte die Autorin zur Geduld – ihre akribische Recherche-Arbeit braucht eben Ihre Zeit.
INFO: Das Buch: Hausierer-Sophie, ein Historischer Roman von Helga Harter. Tredition-Verlag. ISBN 978-3-7439-3851-9. 15 Euro.