"Dreykönigs-Lesung" des Drey-Verlags
Einen »Dreyklang« aus Lyrik, Prosa und Musik präsentierte der Drey-Verlag bei seiner zehnten »Dreykönigs-Lesung« am Mittwochnachmittag im voll besetzten Kunstmuseum Hasemann-Liebich.
Mit starrem Blick harren die drei Figuren der Vorstellung: Ein Bollenhutmädchen, eine Bollenhutfrau und ein Trachtenmann bilden die Kulisse für die zehnte »Dreykönigs-Lesung« des Drey-Verlags. Wobei Lesung weit untertrieben ist für die facettenreiche Performance, die die Zuhörer in den nächsten eineinhalb Stunden zu hören bekommen sollten. »Wie viel Gegenwart räumen wir der Tradition ein?«, hatte neulich der Kunstvereinsvorsitzende Jean-Philippe Naudet gefragt angesichts der Brüche in der aktuellen Ausstellung über die Tracht in der Kunst.
Und jene, die der zeitgenössischen Darstellungen der Tracht verständnislos begegnen, haben vermutlich auch ihre Schwierigkeit mit dem Verständnis für die neuen »Dreyzung-CDs«, die der Verlag präsentiert. Alle anderen genießen einen vielstimmigen Nachmittag mit Mundart und Musik fernab von Heimat- und Volkstümelei, Lyrik und Prosa, die, so sagte es eingangs Bürgermeisterstellvertreter Peter Wälde, »ohne den Drey-Verlag vermutlich nie verlegt worden wäre«.
»Drill di eifach rum«
»Drill di eifach rum, wenn de über di eige Schatte springe sottsch«, liest Wendelinus Wurth, später von seinem Verlegerkollegen Jung als »Meister des alemannischen Heikus« bezeichnet. Uli Führe greift Wurths Stimmungsbilder mit dem Kontrabass auf, und spätestens jetzt wird deutlich, wie eng Lyrik von Melodie und Rhythmus lebt, wachsen die kurzen Texte über sich hinaus. »Drill di« ist auch der Titel einer der neuen Dreyzung-CDs.
Die zweite CD »fedreliicht« umfasst Texte von Markus Manfred Jung aus dem neuen Buch »Schluchten von Licht«, das, mit Bildern seiner Frau Bettina Bohn, ebenfalls im vergangenen Jahr im Drey-Verlag erschienen ist. Besonders reizvoll die Kombination aus Schriftdeutsch und Mundart, auch den Klängen und Rhythmen dieser Sprachen, die Uli Führe kongenial in Musik umsetzt: rockig, folkig, jazzig, freitonal, phänomenal.
Und da er sich dabei eines »Loopers« bedient, der seine Musik und seine Stimme aufnimmt und in einer Endlosschleife wiedergibt, sitzt Uli Führe gleichzeitig an mehreren Instrumenten und singt dazu vierstimmig: ’s isch eidue, was i hirn, gspür und alänge due . . .« Hat da nicht das Bollenhutpuppenmädchen gerade doch erstaunt gezwinkert?
Lust auf Weebers Novelle
Dazwischen macht Jochen Weeber aus Reutlingen Lust, den 15-jährigen an Muskeldystrophie erkrankten Loris und seinen einfallsreich liebenden Vater in der Novelle »Herr Lundqvist nimmt den Helm ab« lesend persönlich kennenzulernen. Und Emma Guntz plaudert über die Entstehungsgeschichte ihrer sinnlichen Schöpfungsgeschichte (»weil Mark Twain das, was nach dem Sündenfall kommt, puritanisch umgeht«). Ihr Wunsch, »ein gutes Jahr – so gut wie möglich« hätte der Schlusssatz sein können, wenn nicht Wendelinus Wurth noch ein Dessert gereicht hätte.
Seine Zweizeiler aus dem Blättle werden erneut von Uli Führe umspielt und begleitet. Die »drey Könige«, wie der Kunstvereinsvorsitzende Jean-Philippe Naudet in seiner Begrüßung die Verleger des Drey-Verlags nannte, bieten an diesem Nachmittag eine ganze Reihe von Premieren. Mit Sicherheit ist bisher auch noch keine einzige Zeile aus dem Gemeindeblatt vertont worden.