Ein düster-komisches Panorama

Schwere Kost, die durch die kabarettistische Zuspitzung der Charaktere leichter verdaulich wurde: hier Ramon Kremer und Theresa Zürn. ©Andreas Buchta
Zwölf Darsteller bot die Theater-AG des Robert-Gerwig-Gymnasiums auf, um am Wochenende zweimal das Theaterstück »Diebe« von Dea Loher aufzuführen. Eindrucksvolle, schwere Kost, die erst durch die kabarettistische Überspitzung ihrer Charaktere erträglich wurde.
Schon die Projektion auf der Bühne am Anfang und zwischen den Akten bei dem Theaterstück »Diebe« von Dea Loher, das die Theater-AG des Robert-Gerwig-Gymnasiums am Wochenende aufführte, zeigte die ganze Verlorenheit menschlicher Schicksale: all ihres Sinns beraubte Objekte wie ins Nirgendwo führende Brücken, im Nichts aufhörende Treppen oder Geleise, die an Häuserwänden enden.
»Thomassons« nannte der japanische Künstler Genpei Akasegawa diese sinnlosen und dennoch eindrucksvollen Gebilde. Zwölf Charaktere, die einen Sinn in der Krise suchen und ins Leere laufen, also genau solche »Thomassons« bevölkern das Stück: Da ist eine Sängerin, die ihren Ehemann als vermisst meldet – nach 43 Jahren; das Ehepaar Schmitt, das sich von einem Tier verfolgt fühlt, das es nie jemals zu Gesicht bekommt; die junge Schwangere, die von einer Boutique träumt und endlich ihren leiblichen Vater kennen lernen will; die naive Gabi, der ein windiger Freund den Kopf verdreht; der langsam erblindende Alte, der, im Heim entsorgt, vor sich hin vegetiert und den immer schwächer werdenden Widerstand übt; oder schließlich die Verkäuferin Monika, der ein neuer Job versprochen und die dann doch nicht genommen wird.
Alle stehlen sie sich durch ihr eigenes Leben als wären sie Diebe. Alle sind sie mehr oder weniger zufällige Puzzleteile, die sich auf wundersame Weise und in Zufallskonstellationen doch zu einem dramatisch schlüssigen Ganzen fügen.
Sarkastische Heiterkeit
Trotz des eigentlich deprimierenden Grundtons von Dea Lohers Theaterstück verbreiten die Schauspieler durch die oft kabarettistische Zuspitzung der Charaktere eine Heiterkeit, die selbst die tiefste Verlorenheit und Sinnlosigkeit noch erträglich macht. Ein Beispiel für diese sarkastische Heiterkeit ist der Bestatter Josef Erbarmen, der in fremdes Leben eindringt, um dort seinen grotesken Tod zu finden: erschlagen mit Hammer und Pfanne.
Der Reigen der in eigener Sinnlosigkeit verstrickten beginnt ganz dramatisch mit dem Versicherungsvertreter Finn, den die Leere seiner Existenz ans Bett fesselt, und der schließlich einen Ausweg im Selbstmord sucht: Er würde nie mehr aufstehen. Nicht heute und auch an keinem anderen Tag.
Atemberaubendes Tempo
Die Inszenierung, die neben der überdeutlichen Dramatik der Schicksale ein fast atemberaubendes Tempo entwickelt, auch im Umbau für die einzelnen Akte, lässt den Zuschauer kaum zu Atem kommen – ein drastisches Sinnbild für die sinnlose Hektik des Leerlaufs. Am meisten aber beeindrucken die schauspielerischen Leistungen der jungen Mimen: Da ist neben Naturtalent auch viel, viel Engagement zu spüren – und eine straffe Regie der AG-Leiter Sabine Pelz und Thomas Rothkegel. Ein düsteres und zugleich komisches menschliches Panorama, das, immer nahe dem Abgrund, die Zuschauer nach ihrem lang anhaltenden Beifall doch ein wenig hoffnungsvoll entlässt.