Ella Diepen ist nach einem Jahr USA wieder zu Hause
Ein knappes Jahr weilte unsere Mitarbeiterin Ella Diepen (16) in den USA zu einem parlamentarischen Austausch, den ihr die Bundestagsabgeordneten Kordula Kovac ermöglicht hatte. Nun ist sie wieder zurück und berichtet in einem Gespräch mit dem Offenburger Tageblatt über ihre vielfältigen Eindrücke.
Du warst zuletzt in der Großstadt Detroit in Michigan – wie war es denn, wieder in das kleine Gutach heimzukommen?
Ella Diepen: Ich lebte ja nicht mitten in der Stadt, sondern in einer Vorstadt von Detroit. Es hat sich hier in Gutach kaum etwas verändert, es ist mir immer noch vertraut, aber es ist im Vergleich schon sehr wenig los. Aber ist sicher auch so, wenn man von einer deutschen Großstadt kommt, es gibt in den Städten halt weniger Mainstream.
Du hast zweimal die Familie gewechselt – was waren die Gründe?
Ella: Es waren komplett konträre Weltansichten, die sich dann doch stark auf den Alltag und den Umgang miteinander ausgewirkt haben.
Zum Beispiel?
Ella: Die beiden ersten Familien waren sehr konservativ, republikanisch und streng religiös. In der ersten Familie auf dem Land in Indiana waren nur Kleinkinder. Die Eltern waren, glaube ich, einfach nicht an Jugendliche gewöhnt. Und in der zweiten Familie waren es eher die konträren Ansichten, die mit der Zeit zu einer Trennung geführt haben.
Und in der dritten Familie ging alles gut?
Ella: Ja. Natürlich ist es nicht einfach, mit einer Familie zusammenzuwohnen, die man nicht gewöhnt ist – das ist ja umgekehrt genauso. Aber das waren sehr lustige Leute, bei denen ich mich wirklich wohlgefühlt habe.
Und wie war das in der Schule? Was ist anders am amerikanischen Schulwesen?
Ella: Der größte Unterschied ist, dass die amerikanischen Schulen darauf ausgelegt sind, vor allem Spaß zu machen. Der Lernaspekt geht da meiner Meinung nach etwas unter. Aber ich hatte dort eine gute Zeit. Ich konnte auch viele Kurse wählen, die mich interessiert haben. Wie Fotografie, Kunst und Journalismus.
Du warst bei der Schülerzeitung aktiv? Was hast Du dort so geschrieben?
Ella: Ich habe Vor- und Nachberichte über Veranstaltungen an der Schule geschrieben, aber auch Kolumnen, in denen ich meine Meinung kundtun konnte – zum Beispiel über den Lebensstil Minimalismus. Auch Features, für die ich ausführlich recherieren musste.
Unterm Strich: Was hast Du in der Schule für Dich gelernt?
Ella: Ich habe natürlich auch die Mentalität der Amerikaner kennengelernt und mein Englisch gefestigt. Es war ein Lernen auf vielen Ebenen. Ich habe durchaus auch in den Fächern etwas gelernt – aber das Lerntempo war recht langsam, ich hätte mehr lernen können.
Haben die Amerikaner auch durch Dich etwas über Deutschland gelernt?
Ella: Ja, das glaube ich schon. Allein schon an den Fragen merkte ich, dass sie über das Dritte Reich hinaus fast nichts von Deutschland wussten. Ich glaube schon, dass ich da etwas zurechtrücken konnte – vor allem, dass Deutschland modern, aufgeklärt und nicht mehr faschistisch ist.
Du warst ja während der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten in den USA. Wie sehr reichte die Politik in die Schule hinein?
Ella: Das war echt ein Riesending. Alle haben darüber gesprochen, wenn auch nicht alle super informiert waren. Jeder hat versucht, seinen Standpunkt auch mit T-Shirt-Sticker und solche Dinge deutlich zu machen. Auch die Debatten im Fernsehen habe ich mitverfolgt und Werbespots, die aber mehr Werbung gegen den Konkurrenten als für den eigenen Bewerber gemacht haben.
War das auch Thema im Unterricht?
Ella: Es ist den Lehrern nicht erlaubt, ihre politische Meinung preiszugeben. Deshalb war die Wahl im Unterricht kaum ein Thema. In Indiana mussten wir mal dazu Stellung nehmen. Aber es wird eher als unhöflich angesehen, so direkt über Politik und die eigene Meinung zu sprechen.
Wie war Deine eigene Familie dazu eingestellt?
Ella: Die erste haben das ganz totgeschwiegen, sie fanden aber Hillary Clinton ganz schlimm. In der zweiten Familie war das ein großes Thema, das waren auch Trump-Fans, aber die haben sehr gern mit mir diskutiert und waren sich ihrer Argumente sehr sicher. Die dritte Familie waren Demokraten, mit denen war ich auch beim »Women’s March On Washington«, ein Protestmarsch von überwiegend Frauen gegen Trump.
Du gehst nun wieder zurück ins Robert-Gerwig-Gymnasium, das nach der zehnten Klasse verlassen hast?
Ella: Ja, ich werde jetzt in der elften Klasse im RGG weitermachen. Ich hätte sonst zuviel Stoff nachzuholen, außerdem brauche ich fürs Abitur ja auch die Noten der elften Klasse.
Wenn Du noch einmal vor der Entscheidung stündest, würdest Du es noch einmal machen?
Ella: Ja, auf jeden Fall. Es gab schon auch Tiefpunkte, aber das Jahr hat mich persönlich sehr viel weitergebracht.