Flügel und Geige erwecken 95 Jahre alte Stummfilm-Dramatik zum Leben
Überraschend gut besucht war am Sonntag der dritte Abend der Reihe Konzerte im blauen Salon – diesmal aus technischen Gründen in der Schlosshalle. „Ich bin froh, dass wir schon das dritte Programm der Saison auf die Bühne bringen können“, sagte der künstlerische Leiter Oliver Schell und verwies auf die geradezu unheimliche Aktualität des Stummfilms, den Friedrich Wilhelm Murnau 1926 in Berlin gedreht hatte. „Geschichte wiederholt sich“, stellte er mit Blick auf die Pandemie und die im Film wütende Pest fest.
Expressionismus auf der Leinwand
Der Regisseur, der eigentlich Plumpe hieß, hatte sich den Namen des oberbayrischen Städtchens Murnau zugelegt: Ihm imponierten die Expressionisten der „Blauen Reiter“, die sich dort angesiedelt hatten. Dieses Faible für den Expressionismus ist im Film „Faust“ durchgängig spürbar: Er ist von einem beeindruckenden, expressiven Pathos beseelt, auf das sich der Zuschauer mit seinen heutigen Sehgewohnheiten erst einstellen muss. Günter Buchwald, der nach vielen Auszeichnungen im Dezember den baden-württembergischen Filmkunstpreis erhält, hatte die Musik für den Film für Orchesterbegleitung in Freiburg konzipiert. Für seine Vertonung in Wolfach wolle er diese Musik auf Klavier und Geige improvisieren, erklärte er.
Die Geschichte des Films basiert auf der Volkssage „Faust“. Es geht um einen Pakt, geschlossen von Erzengel Michael und Mephisto: Ihm solle die ganze Erde gehören, wenn er die Seele des Gelehrten Faust erringen könne. Um Faust seine Hilfe anzudienen, entfacht Mephisto die Pest in der Stadt. Um die Kranken heilen zu können, verspricht Faust Mephisto probeweise für einen Tag seine Seele. Dieser schenkt ihm ewige Jugend. Faust verliebt sich in Gretchen. Doch Mephisto sorgt für ein jähes Ende der Liebesgeschichte: Faust wird des Mordes beschuldigt, Gretchen an den Pranger und schließlich auf den Scheiterhaufen gestellt. Faust eilt ihr zu Hilfe und verliert dabei seine Jugend. Gemeinsam sterben sie in den Flammen und fahren auf in den Himmel: Die Liebe hat gesiegt.
Eindrucksvolle Vertonung
Diese ganze Geschichte, die zwischen Drama und Liebesgeschichte pendelt, wurde von Buchwalds mit akribisch auf die Handlung zugeschnittener Musik eindrucksvoll verstärkt. Da gab es mit Klavier donnernd unterlegte Passagen ebenso wie liebevoll mit Geige begleitete Episoden oder gar mit beiden Instrumenten musikalisch illustrierte Szenen. Immer mal wieder meinte man, auf das Geschehen zugeschnittene Choräle, Kinder- oder Weihnachtslieder herauszuhören. Alles in allem eine höchst gelungene, den Film umso eindrücklicher gestaltende musikalische Begleitung. Entsprechend war der Beifall des begeisterten Publikums.