Jubel und mächtiger Applaus in der Kirche
In der Stadtkirche in Schiltach erklang am Samstag die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach, in der Fassung von 1749. Rund 200 Zuhörer waren begeistert von der Darbietung des Vocalensembles Rastatt und des Orchesters »Les Favourites«.
Schiltach. Schon beim düster-erhabenen Eingangschoral »Herr unser Herrscher« drängte Holger Speck, Dirigent und musikalischer Gesamtleiter dieses Konzertunternehmens die Musiker zu scharfer Ungeduld. Akzentuiert und einfühlsam bewältigte er die Aufgabe, die Interpreten »den Ruhm des Herrschers« in Moll preisen zu lassen – Moll ist das Tongeschlecht des Passionsleidens und nicht des Lobpreises. Speck zählt wie auch beide Ensembles, die von ihm gegründet wurden, zu Musikern internationaler Spitzenklasse. Die hochkarätigen Solisten Maria Bernius (Sopran), Christina Bock (Alt), Michael Connaire (Tenor, Arien), Markus Flaig (Bass, Arien) und Karsten Müller (Bass) ergriffen die Zuhörer mit der Leidensgeschichte Jesu.
Der so genannte »Evangelist« singt erzählende Texte. Diese Aufgabe übernahm Tenor Michael Connaire, der den Evangelien-Berichten den nötigen vorwärtsdrängenden Impuls sehr eindringlich gab. Durch seine Akzente setzende und strahlende Stimme vermittelte er Rührung und Ergriffenheit. Connaire gelang mit seiner Darbietung ein stimmiges Evangelisten-Parlando. Den Part des Petrus hatte Markus Flaig, der durch sein »offizielles« Auftreten, die Macht über Leben und Tod entscheiden zu können, sehr glaubhaft darstellte.
Sein Gegenüber war Karsten Müller, der die Rolle des Jesus verkörperte. Er charakterisierte die Rolle mit der geistlichen Überlegenheit des Weltenherrschers, einer klaren Artikulation und flexibler Intonation. Wunderbar interpretierten die beiden Solistinnen Maria Bernius und Christina Bock »Es ist vollbracht« und »Zerfließe mein Herz«.
Sehr einfühlsam begleitete und unterstützte das Orchester »Les Favourites« den Gesang. Mit dem Einsatz historischer Instrumente wie Oboe d’amore, Oboe da caccia und Traversflöten konnte es den Klang der Originalfassung hörbar machen. Der Chor sang die Rufe des Volkes und bekannte Kirchenlieder. Die Johannispassion wurde erstmals 1724 in der Nikolaikirche in Leipzig während des Gottesdienstes am Karfreitag aufgeführt. Dort sang die Kirchengemeinde die Lieder des Volkes.
Musik geht nahe
Durch beeindruckend präzise Übergänge und ausdrucksstarke Dialoge kam das Publikum nicht nur der Musik sehr nahe, sondern auch dem Inhalt dieser Passion. Sie handelt vom Verrat und der Gefangennahme Jesu bis hin zu seinem Begräbnis. Der eindringliche Ruf des Volkes »Kreuzige, kreuzige!«, der Befehl des Volkes an Pilatus, drang durch die Stadtkirche, verfehlte seine Wirkung nicht und führte das Publikum direkt ins Passionsgeschehen. Trotz bekanntem Ausgang der Geschichte lag eine deutlich fühlbare Spannung in der Luft – fast wie eine Hoffnung, dass Pilatus das rasende Volk doch noch von der Unschuld Jesu überzeugen könne.
»Herr Jesu Christ, erhöre mich, Ich will dich preisen ewiglich!« Diese letzten Worte der Johannespassion wurden vom Geläut der Kirchturmglocken hinausgetragen. Mit stehenden Ovationen bewiesen die Zuhörer den Künstlern ihre Ergriffenheit.