Kritik: Haslacherin schreibt offenen Brief an Kretschmann
Veronika Jehle aus Haslach hat sich in einem offenen Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann gewandt. Sie fordert, Kindergärten und Schulen sofort wieder komplett zu öffnen.
Veronika Jehle ist die stellvertretende Elternbeiratsvorsitzende des Haslacher Kindergartens und hat sich mit einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten des Lands Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, gewandt, um auf die schwierige Situation zahlreicher Familien während der Corona-Pandemie aufmerksam zu machen.
Sie schreibt: „Sehr geehrter Herr Kretschmann, ich bin wütend. Seit Monaten halten ich und meine Familie uns vorbehaltlos an alle uns auferlegten Beschränkungen. Wir betreuen unsere Kinder zu Hause, wir haben unsere Sozialkontakte auf ein Minimum reduziert, wir lassen die Kinder beim Einkaufen zu Hause und halten uns an sämtliche Hygienevorschriften so gut es uns möglich ist.
Wir sehen ein, dass wir Risikogruppen schützen müssen und dass unsere Kinder keinen Abstand halten können. Aber seit einiger Zeit habe ich immer mehr das Gefühl, dass unsere Kinder in der Politik nicht interessant genug sind, um sich wirklich Gedanken über sie zu machen. Und da rede ich nicht von Geld! Geld löst hier nämlich nur einen winzig kleinen Teil des Problems.“
„Völlig abgehängt“
Die Mutter einer sechsjährigen und einer fast dreijährigen Tochter hat – wie so viele andere Eltern derzeit auch – erlebt, wie schwierig es ist, Beruf und Kinderbetreuung zu vereinbaren. Doch das ist nur ein Aspekt in ihrem Schreiben. In erster Linie gehe es ihr um die Kinder: „Wie geht es einem Kind, dass wochenlang keine gleichaltrigen Spielgefährten mehr um sich hat, weil die Geschwister entweder zu klein oder bei Einzelkindern gar nicht vorhanden sind? Wie geht es einem Schüler, der bei seinen Schulaufgaben Hilfe benötigt, die aber bei seinen Eltern mangels eigener Kenntnisse oder mangels Zeit nicht findet? Denken Sie auch an die Kinder, die eben nicht in behüteten Verhältnissen aufwachsen, die es eh schon schwerer haben als andere und die jetzt völlig abgehängt werden?“
Die Pläne, nach denen ab dem 1. Juni private Feiern bis 100 Personen, ab 1. Juli sogar bis 500 Personen erlaubt werden sollen, stoßen bei der Mutter auf Kritik: „Als ob bei einer Hochzeit oder einem runden Geburtstag der Mindestabstand gewahrt würde! Als ob solche Feiern derzeitig überhaupt von Belang wären! Denken Sie wirklich, dass bei einer Familienfeier mit 500 Personen der Infektionsherd geringer ist als an Schulen?“
Sie gibt zu bedenken, dass ihre Tochter, die im Juni drei Jahre alt wird wenn überhaupt, nur an einzelnen Tagen in kleinen Gruppen von höchstens zwölf Kindern in den Kindergarten darf „und sie darf höchstens mit vier anderen Kindern gleichzeitig spielen. Aber zu ihrer Geburtstagsfeier darf sie 100 Freunde einladen.“
Für komplette Öffnung
Besonders dieser Punkt stößt bei ihr auf Unverständnis und sie schreibt: „Ich betrachte es als irrsinnig und absolut unverschämt, über die Erlaubnis größerer Menschenansammlungen in welchem Rahmen auch immer überhaupt nur nachzudenken, bevor nicht jedes einzelne Kind wieder normal in den Kindergarten oder in die Schule gehen darf! Unter diesen Gesichtspunkten kann ich Beschränkungen, was meine Kinder betrifft nicht mehr länger akzeptieren. Ich fordere eine komplette Öffnung von Kindergärten und Schulen – und zwar sofort! Dafür können größere Feiern noch ein paar Monate warten.“
Eine Antwort auf ihren Brief erwarte sie nicht – zumal ein Kontaktversuch mit dem Kultusministerium über die Eingabemaske auf der dortigen Internetseite als vermeintlicher „Spam“ abgewiesen worden sei. „Aber vielleicht werde ich ja eines besseren belehrt. Schön fände ich es schon.