Oberes Kinzigtal

Kriegsgefangene haben Schweres erduldet

Hans Harter
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30. März 2020

Der Schiltacher Johann Wöhrle als Kriegsgefangener, gezeichnet 1918 von einem Kameraden. ©Repro: Hans Wöhrle

Vor genau 100 Jahren, im März 1920, kehrten die letzten Kriegsgefangenen aus dem Ersten Weltkrieg ins Obere Kinzigtal zurück.

Als nach dem Ersten Weltkrieg die Vereine ihre Aktivitäten wiederaufnahmen, gedachten sie als Erstes ihrer gefallenen Mitglieder. So beklagte der Turnverein Schiltach Anfang 1919 in einem Nachruf „die Grausamkeit des Kampfes“, der „zahlreiche Opfer unter unseren lieben Turngenossen forderte“ – namentlich werden 31 Tote genannt.

Und noch war der Krieg nicht ausgestanden: „Eine weitere Anzahl harrt in der Gefangenschaft sehnsüchtig der Befreiung.“

Nach der Haager Landkriegsordnung von 1907, die das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn ebenso unterzeichnet hatten, wie Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA, waren „sich ergebende Gegner angemessen zu behandeln“.

Harter körperlicher Einsatz

Der Gewahrsamsstaat musste für sie sorgen, konnte sie aber, außer den Offizieren, zur Arbeit heranziehen. So kamen sie in die Landwirtschaft, in Fabriken und Bergwerke, was meist harten körperlichen Einsatz bei schlechter Ernährung bedeutete. Sie lebten eingezäunt unter Bewachung, durften aber Post erhalten.

Auch bot ihnen das Gefangenenlager, trotz Hunger und Krankheit, größere Überlebenschancen als das Schlachtfeld. Bis 1918 hielt Deutschland 2,5 Millionen Soldaten gefangen, Russland 2,9, Großbritannien, Frankreich und die USA 768 000. 

Da vor dem Friedensschluss mit der Rückkehr „unserer gefangenen Brüder“ nicht zu rechnen war, wollte man ihnen zumindest ihr Lagerdasein erleichtern. So führte 1919 die „Badische Gefangenenfürsorge“ zwei Geldsammlungen durch, die in Schiltach 2264 Mark und in Lehengericht 1374 Mark erbrachten – entsprechend dem Aufruf: „Gebt reichlich und freudig!“

Doch kamen noch Todesnachrichten, so für Christian Trautwein, Weber, der in französischer Gefangenschaft starb. Der Turnverein schrieb: „Er war ob seines fröhlichen Humors beliebt und als ein tüchtiger Arbeiter, braver Mensch und Familienvater geachtet.“ 

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In Schwermut verfallen

Im Oktober 1919 kehrten die ersten zurück: Der Maurer Johann Haas und der Weber Karl Renzhammer, beide aus England. Nach dreijähriger Gefangenschaft Christian Bühler, Weber, vor Eulersbach, der berichtete, dass „die Behandlung in letzter Zeit gut war“.

Dagegen haderte Wilhelm Harter in Halbmeil mit dem Schicksal: Vom Krieg war ihm ein steifes Bein geblieben, er verfiel „in Schwermut“ und erschoss sich. Nach der Ratifizierung des Versailler Vertrags im Januar 1920 häuften sich die Rückkehrer:

die Brüder Franz und August Harter, „Zum Löwen“ in Halbmeil, Karl Dieterle aus Wittichen, die Heubacher Pius Breitsch, Wilhelm Dieterle und Johann Hauer, die seit 1915 in Frankreich gefangen waren.  

Willkommensgruß der Stadt

Im März 1920 waren auch die letzten der 18 Schiltacher wieder auf „heimatlichem Boden“, denen, so die Zeitung, „das Missgeschick widerfuhr, in Kriegsgefangenschaft zu geraten“. Als „Willkommgruß“ schickte ihnen die Stadt 50 Mark und ein Schreiben, „dass die Heimat sie bald vergessen lassen möchte, was sie Schweres erduldet haben um ihretwillen“.

Der Lehengerichter Bürgermeister Jakob Friedrich Bühler sagte es so: „Sie haben uns vom Feind freigehalten.“ Dies war die viel verbreitete Botschaft, um das Leiden und Sterben im Krieg wenigstens einigermaßen zu rechtfertigen. Einer, der ihre Rückkehr erlebte, schrieb: „Ich weiß nicht, ich werde nicht klug aus ihnen. Sie sind so stille, sie gehen nicht ‘raus aus sich.“

Über ihre Erfahrungen ist sonst wenig bekannt. Von den Schiltachern brachte Johann Wöhrle (1894 bis 1972), der 1917 vor Verdun in Gefangenschaft geraten war, eine selbstgebastelte Mandoline mit. Außerdem, wie sein Sohn Hans noch zu berichten weiß, „eine Abneigung gegen Gelbe Rüben, da sie nur Rübensuppe erhielten.

Päckchen von daheim hatten die Wachen geöffnet und verunreinigt, sodass die Esswaren nicht mehr genießbar waren. Doch hatte er gelernt, Zigaretten mit einer Hand auf dem Oberschenkel zu drehen.“ 
 

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