Kultusministerin zeigt klare Kante
Trotz der Bruthitze kamen am Montagabend etwa 100 Lehrer, Eltern und Schüler ins Hausacher Feuerwehrgerätehaus, um auf Einladung des CDU-Stadtverbands und der Landtagsabgeordneten Marion Gentges über die Zukunft der Bildung zu diskutieren.
»Die eiert nicht rum«, zollte am Montagabend nach gut zwei Stunden Diskussion selbst die politische Opposition (zumindest im Land) der Kultusministerin Susanne Eisenmann Respekt. Die zeigte tatsächlich klare Kante, nannte die Probleme beim Namen und antwortete anschließend offen auf die Fragen.
Gleich zu Beginn machte die Kultusministerin klar, dass die Schulartendiskussion beeendet ist. Jede der verbliebenen Schularten bekomme die gleiche Gewichtung, den gleichen Respekt und »die Unterstützung, die sie brauchen«. Man habe es heute mit einer völlig veränderten, viel heterogeneren Schülerschaft zu tun – die Stukturen der Schulen seien aber immer noch die gleichen wie vor 15 Jahren. »Lehrer müssen wieder mehr Lehrer als Verwaltungswissenschaftler und Lebensbegleiter sein können«, sagte sie und bekam den ersten Zwischenapplaus.
Lehrermangel zentrale Rolle
Die Ministerin hatte zuvor schon eine Stunde lang hinter verschlossenen Türen die Schulleiter der Region empfangen – und dort wie auch in der öffentlichen Veranstaltung spielte der Lehrermangel eine zentrale Rolle. Es gebe schlicht viel zu wenige Bewerber auf die 6600 freien Stellen. Das liege an der »unglaublichen Pensionswelle«. Eisenmann räumte ein, dass das Problem »nicht vom Himmel fällt«.
»Wir kämpfen intensiv um Lösungen«, so Eisenmann. Die könnten allerdings nicht nur aus mehr Studienanfänger bestehen, sondern müssten kurzfristiger greifen. Die Weiterbildung von Haupt- und Werkrealschullehrern ist dabei eine Option.
Die Besucher sparten nicht mit Fragen, die wir hier samt der Antworten von Susanne Eisenmann wiedergeben wollen:
Jochen Gräß, Lehrer der Beruflichen Schulen Wolfach: Bei den beruflichen Profilen haben wir deutliche Nachteile gegenüber den großen Standorten. Mit einer Mindestzahl von 16 Schülern pro Klasse drohen wir unser einziges Profil noch zu verlieren. Es muss möglich sein, ein zweites Profil auch als »Klappklasse« zu führen.
Susanne Eisenmann: Es gibt tatsächlich eine unterschiedliche Entwicklung im ländlichen und im städtischen Bereich. Kleinklassen spielen im ländlichen Raum eine wichtige Rolle. Es gibt eine Vereinbarung für mehr Flexibilität, wenn der regionale Schulentwicklungsplan zukunftsfähig ist. Aber deutlich zweistellig muss eine Klasse sein (zu Klappklassen hat sie nichts gesagt).
Alexandra Maginot, Schulleiterin der Grundschule Biberach: Wenn die Fremdsprachen in der ersten und zweiten Klasse gestrichen werden, behalten wir dann die Stunden?
Eisenmann: Ja. Die bleiben als Poolstunden erhalten und können von der Schulleitung sinnvoll eingesetzt werden – für Schreiben, Lesen, Rechnen.
Holger Mai, Lehrer an den Beruflichen Schulen Wolfach: Ich habe mich aus der freien Wirtschaft an die Schule beworben, der Vertrag wurde mir aber erst zum Schuljahresbeginn im September zugesichert. Wer soll denn da Ende Mai kündigen? Bei unserer Arbeitslosenquote kann man da niemanden reizen.
Eisenmann: Das wurde geändert. Die Verträge gibt es jetzt spätestens im Januar. Die Schulen können ihre freie Stellen selbst ausschreiben, und auch die abgesenkte Eingangsbesoldung war Demotivation pur. Ab Januar 2018 gibt es wieder gleich das volle Gehalt.
Daniela Bürger aus Hohberg, Mutter vier Kindern: Eltern werden gezwungen, ihre Kinder zu früh einzuschulen. Meine Kinder mussten alle die erste Klasse wiederholen. Wenn den Eltern zugetraut wird, die richtige Entscheidung für die weiterführende Schule zu treffen, warum wird es ihnen beim Schulstart nicht zugetraut?
Eisenmann: Eltern können eine Zurückstellung beantragen, der Schulleiter entscheidet. Schulpflichtige Kinder gehören aber in die Grundschule oder in die Grundschulförderklasse, nicht in den Kindergarten. Eine Entscheidung gegen die Eltern ist Quatsch, der Elternwille muss auch hier gelten. Wir schauen uns das an.
Stefan Meyerhöfer von der Realschule Wolfach: Wie sieht es denn weiter aus, wenn die Wanka-Milliarden aus Berlin kommen mit der IT-Betreuung der Schulen? Wird das städtischen Angestellten übertragen?
Eisenmann: Man muss zunächst pädagogisch definieren, welcher Medieneinsatz an welcher Schule Sinn macht. Laptop ersetzt Buch ist keine Pädagogik. Und dass Grundschüler das Programmieren lernen, ist mit mir nicht zu machen. Die Medienbetreuung und -erziehung ist aber in allen Schulen wichtig. Die IT-Betreuung, die vor Jahren den Lehrern übertragen wurde, die nicht schnell genug auf dem Baum waren, kann aber so nicht bleiben. Da müssen Profis ran. Bis Ende des Jahres sind wir mit der Gesamtstrategie Digitalisierung etwas weiter.
Sabine Glöckler, am Hausacher Robert-Gerwig-Gymnasium für die Referendarausbildung zuständig: Kommt die Oberstufe mit Grund- und Leistungskursen wieder? Die derzeitige Situation ist nicht tragbar. Die verkürzte Referendarausbildung an nur einer Schule ist ebenfalls eine Verschlechterung.
Eisenmann: Ja, die Grund- und Leistungskurse kommen wieder zurück. Und von der Verschlechterung der Referen-
darausbildung habe ich mehrfach gehört. Daran arbeiten wir noch nicht, aber mittelfristig werden wir uns das anschauen.
Setzen, sechs!
Nein, das Problem, der »unglaublichen Pensionswelle«, die die Kultusministerin Susanne Eisenmann als Hauptgrund für den derzeitigen Lehrermangel angab, fiel tatsächlich nicht vom Himmel. Es waren vergangene Politikergenerationen – auch bereits zu Zeiten, als die CDU in Baden-Württemberg noch allein regierte – die die Entwicklung völlig verschlafen haben.
Nicht nur, dass man geburtenschwache Jahrgänge zwar kommen sah, aber nicht die Veränderungen in den Schulen, die mehr Ressourcen erfordern. Nein – dass die Masse an Lehrer, die zu Beginn der 1950er-Jahre eingestellt wurde, in den Jahren nach 2010 in Pension gehen würden, hätte sich jeder im Kultusministerium und in den Regierungspräsidien selbst ausrechnen können und gegensteuern müssen.
Jede Firma, die so schlampig mit ihren Ressourcen umgeht, wäre längst pleite. Setzen, sechs! Wir brauchen dringend Politiker, die nicht nur über ihren Tellerrand, sondern auch über ihre Wahlperiode hinaus blicken können. Bald sind die nächsten Wahlen, diese Fähigkeit muss zu einem wichtigen Wahlprüfstein werden.
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Impulse
Mit kurzen Statements leitete der Abend vom Einführungsreferat der Kultusministerin Susanne Eisenmann zur Diskussion über:
Simone
Giesler, Rektorin der Hausacher Graf-Heinrich-Schule: »Wir haben uns im Schulentwicklungsprozess für den Moment und auf die Zukunft eingestellt. Wir brauchen für die Kontinuität und Stabilität unserer Arbeit dringend eine entsprechende Ausstattung und Lehrerversorgung.«
Ulrich Wiedmaier, Vater eines »Inklusionskinds«:
»Die Rahmenbedingungen für die Inklusion sind viel zu unklar. Auch die Rolle der Schulbegleitung ist nicht klar definiert. Zwei Sonderpädagogik-Stunden in der Woche reichen nicht aus. Es gibt viel zu wenig Personal. Inklusion gibt’s nicht zum Nulltarif. Wer sie will, muss für die entsprechende Ausstattung sorgen.«
Anna-Lena Klausmann, Hausacher Schülerin des Ernährungswissenschaftlichen Gymnasiums in Offenburg: »Es kann in den unteren Klassen ja ganz schön sein, wenn Unterricht ausfällt. Aber ich will in zwei Jahren Abitur machen und bin angewiesen auf die ausreichende Lehrerversorgung.