Kunst aus Licht und Farbe
Hausach. Die Frage, ob Kunst von Können kommt, beantwortet sich bei einem Besuch des Hausacher Künstlers Helmut Hacker von selbst. Wohl in keiner anderen Kunst ist das handwerkliche Können so elementar wichtig wie bei der aus dem 14. Jahrhundert stammenden Glasmalerkunst – und Helmut Hacker ist einer der wenigen, der diese noch beherrscht. Er hat nie großes Aufhebens davon gemacht – und viele Hausacher haben vermutlich keine Ahnung, welche Koryphäe hier so bescheiden unter ihnen lebt.
Schon an der Haustür des schmucken Fachwerkhauses wird der Besucher von einer zauberhaften Frühlingscollage aus Glas begrüßt – das Gesellenstück von Helmut Hacker, das heute noch so zeitlos schön ist wie vor über 60 Jahren. Und wer durch diese Haustür tritt, der kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Helmut Hackers Glaskunst ist allgegenwärtig und leuchtet von allen Fenstern. Aus den vielen Motiven ragen immer wieder Albrecht-Dürer-Motive heraus. Der Hausacher hegt eine tiefe Bewunderung für den großen Künstler des 15. Jahrhunderts – und ganz gewiss würde diese Bewunderung auf Gegenseitigkeit beruhen, könnte Albrecht Dürer noch erleben, wie Helmut Hacker seine Kunstwerke um den Faktor Licht bereichert.
60 Stunden Arbeit
Das Verfahren dafür ist sehr aufwendig. In seinem Arbeitsraum hängt am Fenster Joseph Wright of Derbys Gemälde »Der Alchemist« als Glasbild. Das hat er sich als Leihgabe für die Ausstellung am Wochenende zurückgeholt. Etwa 60 Stunden Arbeit stecken in so einem Glaskunstwerk. Helmut Hacker setzt sich an seinen Leuchttisch, nimmt ein mit Schwarzlot eingefärbtes Stück Glas zur Hand und kratzt mit dem Gänsekiel (»da gibt es auch heute noch nichts Besseres als vor 500 Jahren«) winzige Zeichen heraus. Akkurat setzt er eins neben das andere, bis ein wunderschönes, ebenmäßiges Ornament entsteht. Das braucht nicht nur eine sehr ruhige Hand und ein gutes Augenmaß, das braucht auch höchste Konzentration. Denn hier gibt es nichts zu radieren. Wenn ein Fehler erst gegen Schluss passiert, sind viele Stunden Arbeit dahin.
»Ich bin ein sehr ruhiger Mensch«, lächelt der 82-Jährige auf die Frage, ob ihn dann die Wut packt – und ob sich Wut und Arbeit mit Glas überhaupt vereinen lassen. Die Ruhe bezieht sich aber nur auf seine Wesensart, seinen Ruhestand verbringt er sehr unruhig. »Die Liebe zu meiner Arbeit und zu den vielen verschiedenen Techniken hat mir nach der Pensionierung viel gegeben«, sagt er. Dabei hat er die Glasmalkunst erst seither wieder richtig entdeckt. Nach seiner Lehre, vier Jahre bei Glasmaler Vollmer in Offenburg, kam in der Gesellenzeit der große Rückschlag: Der junge Glasmaler bekam vom vielen Hantieren mit Blei eine starke Bleivergiftung. Schon damals fielen ihm die Haare aus, auch Fingernägel und Zähne wären in Gefahr gewesen, hätte er seinen geliebten Beruf nicht aufgegeben.
»Eine Perle für uns«
Vom Beruf musste er zwar lassen, nicht aber von der Kunst. Bei der Schmider-Kreamik in Zell konnte er seine Kreativität weiter ausleben. Ebenso bei der »Glasplakat« in Offenburg, wo er noch Lithografie und Kalligrafie lernte. Dies kommt heute dem »Goldenen Buch« der Stadt Hausach zugute. Es gibt sicher kein Goldenes Buch im ganzen Land, das mit solch kunstvollen Einträgen aufwarten kann. »Der Mann ist eine Perle für uns«, sagt Ulrike Schmider, die das Gästebuch der Stadt Hausach verwaltet.
Letzte Station in seinem Berufsleben war die Retusche im Haus Burda. Die Zeit der Scanner hatte begonnen, und der findige Künstler machte sich einen Namen als Color-Retouscheur. Nun begann er nebenbei auch wieder mit der Glasmalerei. »Die Attacke von damals war vergessen«. Doch das kreative Schaffen des Hausacher Künstlers geht über seine besondere Neigung zur Glasmalerei weit hinaus. Viele Bleistift- und Kohlezeichnungen sowie Aquarelle und Werke der Hinterglasmalerei kennzeichnen seine unermüdliche Schaffenskraft.
Reisen zur Kunst der Welt
Und wenn Helmut Hacker nicht malt oder zeichnet, dann besucht er vielleicht gerade mit seiner Frau Inge eine der vielen Kunststätten der Welt. Auf seiner Wunschliste steht noch eine Fahrt zu den fantastischen Mosaikbauten in Samarkant. Der Glasmalkünstler hat großen Respekt auch vor Meistern anderer Materialien und bringt sich von überall her Kunstwerke mit. Liebevoll streicht er über einen handgeknüpften Seidenteppich aus der Türkei: »1000 Knoten pro Quadratzentimeter«, sagt er bewundernd. Es gibt noch mehr zeitaufwendige Künste als die Glasmalerei.
Damit will er nun kürzer treten. Noch immer kommen aus ganz Deutschland Anfragen. »Die Ausstellung soll ein Abschluss sein«, sagt er. Deswegen wird er aber sein Handwerkszeug nicht ganz aus der Hand legen. Seine Frau wünscht sich unbedingt noch den »Alchemisten«, den sie ja nach der Ausstellung wieder zurückgeben müssen.
TECHNIK
Für ein Kunstwerk aus Blei und Glas sind viele Arbeitsschritte notwendig:
Nach dem in Originalgröße gefertigen Entwurf wird mit der Kernschere das Blei herausgeschnitten, der sogenannte »Bleiriss«. Dieser wird mit den zugeschnittenen Glasstücken ausgelegt. Auf jedes dieser Glasstücke wird mindestens eine Farbschicht als Überfang aufgeschmolzen. Für die Innenzeichnung der Figuren, landschaftlichen Hintergrund oder Ornamente wird Schwarzlot aufgetragen, aus dem auch verschieden starke Lichter mit dem Pinsel herausgewischt werden.
Jeder Farbauftrag wird mit einem Brennvorgang bei 600 Grad abgeschlossen. Nach dem letzten Brennvorgang wird verbleit, das Blei verlötet, das Glas mit Kreide- und Leinölfirnispaste »verkittet« und mit Sägemehl gereinigt.