Meisterliches aus der Schattenwelt samt einer Uraufführung in Wolfach

Cristina Bravo und Thomas Nutzenberger begeisterten in Wolfachs Blauem Salon mit ihrem „Fasnachtsliederabend“. ©Andreas Buchta
Zu einem „Fasnachtsliederabend“ begrüßte Konzertleiter Oliver Schell am Sonntag zahlreiche Besucher im Blauen Salon des Wolfacher Rathauses. Sopranistin Cristina Bravo und Thomas Nutzenberger am Flügel führten unter dem Titel „Von Hexen, Geistern und Feen“ mit Liedern und Arien ins Reich der Fantasie ein: Er als klassischer Maestro im Frack und mit langer Mähne, sie ebenso fantasievoll wie prächtig gewandet.
Kraftvoller Flügel fordert
Zunächst erzählte der Pianist von einem stimmungsvollen mittäglichen Ausflug zum Wolfacher „Hexen-Landeplatz“ und stimmte das Publikum auf das Schattenreich der Hexen, Geister und Feen ein. Anfangs war etwas von Nutzenbergers Bemühen zu spüren, die Stimme der Sopranistin mit dem für den Saal überreichlich kraftvollen Förster-Flügel nicht zu übertönen – ein Problem, mit dem schon so mancher Pianist im Blauen Salon zu kämpfen hatte. Schnell passte er sein Spiel den Gegebenheiten an.
Mit ihrer wunderbaren, romantisch-geheimnisvoll angelegten Stimme sang Cristina Bravo, vom Klavier brillant und zunehmend einfühlsam begleitet, von der „Meerfee“ und von der „Lorelei“. Auf Anhieb beeindruckten die Mimik der Sängerin, ihre sparsamen und textgenauen Gesten und ihr durch und durch professioneller Augenkontakt, durch den sich jeder Einzelne im Publikum angesprochen fühlte.
Mit Clara Schumanns „Lorelei“ wurden Gesang und Klavierspiel zunehmend dramatisch. Noch intensiver und gleichzeitig anrührend gestaltete sich die Begleitung Orpheus’ in die Unterwelt in „Reigen seliger Geister“ aus der Oper „Orpheus und Euridike“: Konzentriert und ganz in sich und Orpheus’ Erleben versunken hinterließ Nutzenberger mit dem solistischen Stück einen tiefen Eindruck und erntete großen Szenenapplaus.
Gesang und Spiel in vielen Facetten
In allen nur denkbaren sängerischen Facetten stellte die Sopranistin Eduard Mörikes, von Pauline Viardot-Garcia hinreißend vertonte „Nixe Binsenfuß“ vor und sang danach drei Lieder aus Felix Mendelssohn Bartholdys reichem Liederschatz: „Neue Liebe“, „Das Waldschloss“ und „Hexenlied“ – alle drei vom Klavier einfühlsam wie kunstvoll begleitet.
Regelrecht unheimlich wurde es manchem zumute, als die Glocke zwölfmal schlug und Thomas Nutzenberger in einer Uraufführung seine Eigenkomposition „Mitternachtsspuk“ spielte: Gespenstische, bizarre und zum Teil auch beängstigende Töne, durchsetzt von übermütigen, schrillen Kadenzen, bis der Spuk jäh ein Ende hatte. Auch die heimischen Gefilde kamen nicht zu kurz, etwa mit „Geister am Mummelsee“: Hier zelebrierte die Sopranistin unnachahmlich das Treiben und zog die Zuhörer unwiderstehlich hinein in das Geschehen.
Ein kleines Meisterwerk
Mit Franz Liszt widmeten sich die beiden noch einmal der „Lorelei“, diesmal melancholisch-tragisch und fast schon unheimlich authentisch. In seinem eigenen Stück „Witch Escape“ beschrieb Nutzenberger solistisch eine wild-disharmonische Flucht, bei der in einem wahren Tonarten-Chaos doch hin und wieder eine zarte Melodie durchschimmerte: Ein kleines kompositorisches wie interpretatorisches Meisterwerk.
Mit der hinreißend gesungenen Arie der Azucena aus der Oper „Il Trovatore“ und Antonin Dvoráks „Lied an den Mond“ aus der Oper „Rusalka“ endete der eindrucksvolle „Fasnachtsliederabend“ unter ausdauerndem Applaus.