Michael Hensle wühlt sich durch 550 Meter Akten
Seit Januar ist Michael Hensle Archivar der Stadt Hausach, vorerst befristet auf zwei Jahre. In dieser Zeit soll er rund 550 laufende Meter Akten bewerten, sortieren, archivieren. Eine sportliche Herausforderung, der sich der erfahrene Historiker sehr gern stellt.
14 bis 16 Grad Celsius, 50 Prozent Luftfeuchte: Das Klima im Keller des Kindergartens St. Barbara ist gut fürs Papier, aber schlecht für den Archivar, der dort arbeiten soll. Michael Hensle pendelt deshalb zwischen seinen beiden Arbeitsplätzen, dem Archiv in der Friedensstraße und dem Büro unterm Dach des Rathauses. Dass sich eine Stadt wie Hausach ein Rollarchiv leistet, findet er klasse, das gebe es längst nicht überall.
Es ist garantiert sein letzter Job vor der Pensionierung: Der Historiker aus Rottenburg hat mit seinen 64 Jahren noch einmal eine Herausforderung angenommen: mit einem befristeten Vertrag für zwei Jahre und einer Beschäftigung von 75 Prozent das Archiv der Stadt Hausach auf Vordermann zu bringen. Seit einem knappen Jahr sortiert er die historischen Schätze der Stadt Hausach und erstattet dem Offenburger Tageblatt gern Bericht.
»Archivare lieben es, in laufenden Metern zu rechnen«, zeigt er auf sein Arbeitspensum, das in den Rollarchiven liegt und steht, und das er in den zwei Jahren leisten soll: rund 350 laufende Meter Archivalien sowie rund 250 laufende Meter Altregistratur der Stadtverwaltung. »Das ist eine sehr sportliche Herausforderung«, schätzt er. Sein Erfahrungshorizont werde ihm dabei helfen. Dies ist wohl auch der Grund, weshalb er bei den Einstellungsgesprächen das Rennen machte.
Was ihn daran reizt? Man stoße immer wieder auf höchst interessante Geschichten und Zusammenhänge. Aber dennoch sei natürlich nicht jede Arbeit spannend, »viel ist auch Fließbandarbeit«. Durch Findhilfsmittel sei er darauf gestoßen, dass in Hausach drei Archivschichten liegen, die in verschiedenen Ordnungssystemen abgelegt wurden.
Was wird »kassiert?«
Bei der Altregistratur handle es sich um Verwaltungsakten der Stadt, die nicht mehr aufbewahrt werden müssen. Da ist die Einschätzung eines Fachmanns besonders wichtig: Was kann »kassiert« – das heißt datenschützt vernichtet – werden, und was hat so großen zeitgeschichtlichen Wert, dass es archiviert werden muss?
Der »Herr der Quellen« hat Zeitgeschichte und Geschichte studiert und zeigt, wie man über die Schlagwörter und das Indexverzeichnis einen schnellen Zugriff bekommt. Akte für Akte lädt er in Boxen und lässt sie ins Büro ins Rathaus bringen. »Stimmt der Titel? Was ist drin?« Alles wird fein säuberlich in den PC eingetragen, nachfolgende Generationen haben es bei der Suche per Mausklick dann wesentlich einfacher.
An einer Rechnung für die Kreuzbergkapelle macht Michael Hensle deutlich, wie aus vergilbtem Papier spannende Geschichten werden. Im 18. Jahrhundert waren Stiftungen die gebräuchlchen Kreditinstitute, die gegen Zins – vier Prozent waren damals üblich – ihr Geld verliehen. Der Kreuzbergbruder Seraphim hat 1775 15 Gulden für seine Klause geborgt. »Ein Tagelöhner verdiente damals etwa einen Viertel bis einen halben Gulden«, macht Hensle deutlich, dass es da um etwa zweieinhalb Monatslöhne ging.
Einsiedler zahlt keine Zinsen
Der Pfarrer habe verfügt, dass dem Einsiedler kein Zins verlangt wird, und dass er die Tilgung vom Gehalt abgezogen bekommt. Auf »Hausach online« hat Hensle ebenfalls nach diesem Seraphim geforscht, und nun könne er belegen, dass dieser seine Klause renoviert hat und unter anderem 1780 zwei Schlösser dafür anfertigen ließ.
Chronik? Mal sehen!
»Da gibt es immer wieder Dinge, bei denen man verweilen kann« – aber nicht zu lange, schließlich wartet noch eine Stange Arbeit auf den Archivar. Er lobt die Vorarbeit des ehemaligen Ratschreibers Wilhelm Kienzle, die sei hervorragend, »da gibt es nichts zu meckern«.
Hausach wartet ja nun schon seit acht Jahren auf den ersten Teil seiner neuen Chronik. Ist es denkbar, dass er dies übernimmt? »Man arbeitet sich im Lauf der Zeit tief in die Stadtgeschichte ein«, sagt er. Wenn seine Verzeichnisarbeit beendet sei, könne er sich das gut vorstellen: »Aber nebenher – das geht nicht«, macht er klar, dass Hausach dann halt noch eine Weile weiter warten müsste.