Peter Schwörer dirigiert nach 50 Jahren letztes Jahreskonzert
Mit dem Jahreskonzert des Steinacher Gesangvereins endet am Samstag, 18. März, um 20 Uhr in der Steinacher Festhalle eine Ära. Es wird nach 50 Jahren das letzte Konzert unter der Leitung von Peter Schwörer sein. Im Interview mit dem Offenburger Tageblatt blickt der Chorleiter Peter Schwörer auf seine Zeit in Steinach zurück, spricht über die Zukunft des Chorgesangs und verrät, was er mit der freien Zeit künftig machen will.
Sie waren ein halbes Jahrhundert lang Chorleiter in Steinach. Was hat Ihnen diese Aufgabe gegeben?
Peter Schwörer: Die Aufgabe hat mich mit vielen schönen und interessanten Konzerten, Proben und dem Umgang mit den Menschen ausgefüllt. Die Sänger waren Gott sei Dank auch immer sehr motiviert, und auch gewisse Divergenzen zwischen den Ansprüchen und Vorstellungen von mir und denen der Sängern ließen sich stets lösen. Ich habe immer versucht, aus den Sängern viel herauszuholen, und am Ende standen dann stets erfolgreiche Konzerte. Ich war auch immer gesellig und hatte bei internen Treffen stets mein Akkordeon dabei, um das Singen auch in zwangloser Atmosphäre zu unterstützen.
Haben wirklich alle Konzerte immer geklappt?
Schwörer: Nur ein Auftritt beim Volkstrauertag hat nicht geklappt. Damals traten wir direkt nach dem Musikverein auf und wollten in einer anderen Tonart singen, was nicht geklappt hat. Ich bin dann fast vor Scham in Boden versunken. Als Konsequenz wechseln wir uns heute jährlich bei den Auftritten am Volktsrauertag ab.
Wie hat sich die Musikauswahl in den 50 Jahren Ihrer Tätigkeit verändert?
Schwörer: Anfangs hat man großen Wert darauf gelegt, etwas klassisch Angehauchtes zu singen, und es gab eine Männerchor-Literatur, die wir gesungen haben. Zu den Titeln, die aktuell im Radio kamen, gab es dagegen keine Noten oder erst ein Jahr später, wenn das Stück fast schon wieder ein Oldie war. Daher habe ich Stücke sehr aufwendig selbst bearbeitet. Ein Beispiel ist das rassige Lied »Felicita« von Al Bano und Romina Power, was nun auch beim Jahreskonzert zu hören sein wird.
Gab es in all den Jahren einen größeren Einschnitt?
Schwörer: Ja, in den 90er-Jahren hatte ich entdeckt, dass es nicht mehr die Zeit von reinen Männerchören ist und man neue Wege gehen muss. Der neue Weg führte dann zum gemischten Chor.
Wie waren die ersten Reaktionen von den Männern?
Schwörer: Die waren sehr kritisch. Einer hat gesagt, dass er den Chor verlässt, wenn Frauen dazukommen. Das war also durchaus ein Risiko, denn so stark war der Chor ja nicht mehr besetzt. Aber ich hab’ mir gesagt, dieses Risiko muss ich gehen. Zumal ich als damaliger Bundes-
chorleiter des Chorverbands Kinzigtal auch Weichenstellungen vornehmen und anregen musste. Da gab es die Möglichkeit ortsübergreifender Zusammenschlüsse oder eben den gemischten Chor.
Wie hat sich der Chor dadurch geändert?
Schwörer: Frauen sind manchmal lebendiger. Dann gibt es bei »gestandenen« Männern etwas Vorbehalte, aber das hat sich eingespielt. Jahre später hat mir der Sänger, der gegen die Frauen war, aber trotzdem im Chor blieb, gesagt, dass es meine beste Entscheidung war, Frauen dazuzunehmen.
Viele Chöre haben mit Mitgliederschwund zu kämpfen. Steht wieder ein Einschnitt an?
Schwörer: Heute ist die Frage, wie man damit umgeht, dass die Leute sich nur noch kurzfristig oder zumindest nicht mehr so langfristig binden wollen und man dennoch einem gewissen künstlerischen Anspruch genügen kann. Zumal es ja alles Laien sind, meist ohne Notenkenntnisse. Ein Jahreskonzert braucht aber ein Jahr Vorbereitung, und das ist lang. Auf unserer jetziges Jahreskonzert haben wir in den vergangenen Monaten zweimal die Woche geprobt.
Muss man also eher auf kleinere Konzerte setzen?
Schwörer: Zu Konzerten im zweijährigen Rhythmus und welchen mit schönem Liedgut, das kein solch gehobenes Niveau hat. Dann geht es auch weiter, wenn man kleinere Einheiten des Übens und des Projekts findet. Das motiviert die Leute dann auch mehr, wenn sie öfters auftreten und Beifall bekommen. Dies ist auch die Meinung des Chorverbands Baden. So kann dann auch das »Klagelied vom Chorsterben« verstummen und die Zukunft ist gesichert.
Als Sie anfingen, waren Sie 23 – nun sind Sie 73 Jahre alt. Gibt es ein ideales Alter für einen Chorleiter?
Schwörer: Ganz jung ist natürlich ein Risiko. Meine Mutter hatte mir damals die Prognose gestellt, dass der Gesangverein zusammenbricht, wenn ich ihn übernehme. Ich hab damals auch gesagt, dass ich es erst einmal provisorisch mache und habe bis heute nie einen Vertrag unterschrieben. Ideal ist wohl für einen Chor ein Leiter zwischen 30 und 50 Jahren.
Warum gerade dieses Alter?
Schwörer: Da hat man schon Erfahrungen gesammelt und noch viele Ideen. Später wird man vielleicht etwas ruhiger. Wobei ich bei der Gründung des gemischte Chors auch schon über 50 war. 1983, als ich den Kinderchor gegründet habe, hatte ich dagegen in dieses Zeitfenster gepasst.
Gehen Sie mit Wehmut in Ihr letztes Konzert?
Schwörer: Nein, man muss sich eine Grenze setzen und alles zu seiner Zeit erledigen. Ich hab nun genug Zeit für den Gesangverein aufgewendet und nun dann mehr Zeit für meine anderen Interessen, wie Rosen oder Historie. Mit meinen acht Enkeln gibt es auch oft was zu tun, und sonst habe ich auch mal dann die Zeit, die Füße hochzulegen. Als Organist bin ich aber auch noch in immer mehr Gemeinden im Raum Haslach gefragt.
Werden Sie dem Gesangsverein Steinach auch weiterhin verbunden bleiben?
Schwörer: Singen werde ich erst zunächst einmal nicht. Aber wenn man mich um Rat fragt, stehe ich gerne zur Verfügung. Aufdrängen werde ich mich aber nicht. Verbands-chorleiter bleibe ich aber noch, um auch meine Meinung zu aktuellen Entwicklungen sagen zu können. Allerdings nur noch für eine absehbare Zeit.
Was wünschen Sie Ihrer Nachfolgerin und dem Chor?
Schwörer: Dass es mit ernsthaften Bemühen aller Beteiligten erfolgreich weitergeht. Generell sehe ich bereits eine leichte Tendenz nach oben im Chorwesen. Man kann also durchaus zuversichtlich in die Zukunft schauen.