Schönes Wochenende: Von Gauklern und Drachen
Jeden Freitag glossieren die Kinzigtäler Kolumnisten in der Schönes-Wochenende-Kolumne, Themen aus dem Alltag und dem Leben. In diesem Wochenende unternimmt Katrin Mosmann eine kleine Reise ins Mittelalter und stellt fest, dass es gut ist, dass wir heute und nicht damals, in Zeiten von Hexenverbrennung, Kreuzzügen und Ablassbriefen leben.
Am ersten Septemberwochenende wird Hornberg zurück in die Vergangenheit, genauer gesagt ins Mittelalter, geschickt. Der Schlossberg verwandelt sich in ein mittelalterliches Dorf, wo Gaukler und Dudelsackspieler unterhalten und die Epoche zwischen dem Ende der Antike und dem Beginn der Neuzeit, also etwa zwischen dem sechsten und 15. Jahrhundert, wieder auflebt. Glücklicherweise aber nur für zwei Tage, denn sind wir mal ehrlich: Wir träumten zwar alle schon davon, Prinzessin, Ritter oder Burgfräulein zu sein, und ja, die Kleider sind schon schön und Männer in Rüstung (der heutigen Uniform), na ja, Sie wissen schon! Aber hätten wir wirklich in der Zeit von Ablassbriefen, Hexenbrennungen und Kreuzzügen leben wollen?
Böse Zungen würden vielleicht sagen, dann hätte sich das Problem mit mancher Schwiegermutter erledigt, oder Drachen gibt es auch heute noch (jetzt sind die Schwiegertöchter gemeint), nur hat kein Ritter mehr den Schneid, gegen sie zu kämpfen. Stattdessen leben beide nun in einer gemeinsamen Höhle. Man nennt die Sache Ehe! Und ganz nebenbei, vorgegaukelt wird Frau heute auch noch oft genug etwas!
Hohe Mächte
Böse, böse, böse. Das nächste Stichwort, denn: Wer im Mittelalter böse war, bekam es mit hohen Mächten zu tun. Die Menschen waren zu dieser Zeit ja sehr gläubig und die Kirche unglaublich mächtig. Sie hatte solchen Einfluss auf die Menschen, die fürchteten, dass sie nach dem Tod in die Hölle kommen könnten, dass sie alles befolgten, was ihnen die Kirche sagte. Wer doch mal sündigte, musste viel Geld zahlen, um mittels Ablassbrief der Hölle und Luzifer zu entkommen. Die Briefe erließen nämlich Sünden. Ja! So war sie, die gute alte Mittelalterzeit. Hätte es damals schon Fernseher gegeben, hätte vermutlich die eine oder andere Dame, die die Pro-7-Serie »Luzifer« gesehen hätte, dankend auf die Ablassbriefe verzichtet und wäre stattdessen gut und gerne böse gewesen.
Dann ist da noch die Sache mit den Shoppingmöglichkeiten, die das Mittelalter doch im wahrsten Sinne des Wortes unattraktiv erscheinen lässt. Ob es wohl ein »Studio-K« für das Burgfräulein von Welt gab? Wohl kaum, und selbst wenn: Die Kleider waren zwar prunkvoll und aus edlen Stoffen, das Mieder ist ab Kleidergröße 38 aber alles andere als ein Wohlfühldress. Und selbst wenn es tolle Shoppingmöglichkeiten gegeben haben sollte: Geld gab es keines, sondern nur Tauschgeschäft. Wer also ein paar neue angesagte Highheelledermittelalterlatschen haben wollte, musste sich von ein paar anderen trennen. Das hätten die mal Carrie Bradshaw aus »Sex and the City« sagen sollen, die für ihre Schuhe ein eigenes Zimmer hat und ihre Pullis im Backofen lagert, weil der Kleiderschrank überfüllt ist.
Abgesehen davon? Meinen Sie die Kleidung damals war aus biologisch angebauter Baumwolle? Und das Essen? Vegan war vermutlich nur das Wasser, vorausgesetzt es hatte zuvor keine Kuh darin gebadet und die Portionen waren so groß, dass der Ausdruck »Ich könnte ein ganzes Schwein verdrücken« eine vollkommen neue Bedeutung bekam.
Kurze Auszeiten
Doch eines muss man den Mittelaltermenschen lassen: Feiern konnten sie, wenn man der Geschichte glauben mag. Ausgelassene Feste standen dort auf der Tagesordnung, denn inmitten von Spielleuten, Musikanten, Feuerschluckern und Zauberkünstlern konnten die Menschen die Not und das Elend, das herrschte, für kurze Momente vergessen.
Heute ist das irgendwie umgekehrt. Beim Mittelalterfest auf dem Schloss in Hornberg wird in erster Linie fröhlich gefeiert. Aber wie immer bei solchen Reisen in die Vergangenheit, werden wir auch daran erinnert, wie das Leben früher war. Und das zeigt uns auch, wie gut das Leben heute doch ist. Das sind die eigentlichen Lehren aus der Vergangenheit und ein Grund für Geschichte jeglicher Art. Die Vergangenheit ist immer ein Teil der Gegenwart. Aber nur in letzterer leben wir. Und das ist auch gut so.