Inklusion im Kinzigtal (8)

Schuldirektorin Birte Wannig stellt sich den Fragen zur Inklusion

Claudia Ramsteiner
Lesezeit 5 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
25. März 2017

Regierungsschuldirektorin Birte Wannig ist am Regierungspräsidium Freiburg zuständig für die Inklusion an Schulen ©Privat

Wenn jeder Mensch mit und ohne Behinderung überall dabei sein kann, dann nennt man das eine gelungene Inklusion. In einer Serie beleuchten wir die Inklusion im Kinzigtal – wo sie gelingt und wo es noch hapert. Heute: Gepräch mit Birte Wannig. 

 Die Wahlfreiheit der Eltern steht im Gesetz. Kinder mit Förderschwerpunkt können zwar in eine Regelschule  – aber in den meisten Fällen nicht am Ort, weil dafür die Sonderpädagogen fehlen. Bleibt das so oder soll das noch ausgebaut werden?.

Birte Wannig: Ein absolutes Elternwahlrecht wird nicht geschaffen. Auch mit Artikel 24 Behindertenrechtskonvention kann kein vorbehaltloser Anspruch begründet werden. Aber: Der Elternwunsch ist für die Schulverwaltung handlungsleitend. Eltern können sich zukünftig zwischen einem von der Schulverwaltung gemeinsam mit ihnen und verschiedenen Partnern entwickelten, qualitativ vergleichbaren Bildungsangebot an einer allgemeinen Schule oder an einem SBBZ entscheiden.

Aber nicht für unbedingt für die Grundschule vor Ort?

Wannig: Nein. Vergleichen Sie’s mit einer Speisekarte. Da kann man auch wählen – aber nur das, was draufsteht. 

Dann gibt es doch Schwerpunktschulen für die Inklusion?

Wannig: Nein, es gibt in Baden-Württemberg keine Schwerpunktschulen sondern allgemeine Schulen mit  inklusiven Gruppenangeboten. Jede allgemeine Schule hat grundsätzlich den Auftrag, für inklusive Angebote offen zu sein und sich bereit zu halten. Für einzelne Kinder kann das Angebot nicht geschaffen werden. Und das ist natürlich bei der weit gesplitteten Wohnsituation im ländlichen Bereich öfter der Fall. 

Kinder mit Förderschwerpunkt können auf eine Regelschule und werden dort sonderpädagogisch betreut. Die Kinder, die beispielsweise in Hausach inklusiv beschult werden, haben 0 bis 1,4 Stunden pro Woche, die Schule selbst hat drei Stunden beantragt. Gibt es da einen Schlüssel oder wird das willkürlich zugeteilt?

Wannig: Die Ressourcenausstattung orientiert sich am Bedarf des Einzelfalls im Zusammenspiel mit den zur Verfügung gestellten Gesamtpaket der Ressourcen für Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Beratungsanspruch. Das Ausmaß der zur Verfügung gestellten Ressourcen für schulische Bildung ist immer eine Frage von Aushandlungsprozessen verschiedener Interessenslagen im Rahmen der Staatshaushaltsplanung. Das Staatliche Schulamt weist die Ressourcen im Rahmen ihres Budgets  zu.

Einfach gesagt: Es gibt keinen Schlüssel, aber es fehlt am Geld?

Wannig: Es fehlt weniger am Geld als an den Lehrern. Wobei die Ortenau im Vergleich zu anderen Landkreisen noch ganz gut versorgt ist. 

 Wie begegnet die Landesregierung diesem Mangel?

Wannig: Derzeit werden mehr Stellen für Sonderschullehrer angeboten als es Bewerber auf dem Markt gibt. Die Ausbildungskapazität an den Hochschulen wird schrittweise erhöht. Grundsätzlich gilt aber: Schüler im inklusivem  Setting sind Schüler der allgemeinen Schule und lösen dort die Ressourcen aus, wie alle Kinder ohne sonderpädagogischen Beratungsanspruch. Zusätzlich erhalten die Kinder sonderpädagogische Unterstützung (auch im Teamteaching) nach der Maßgabe, wie oben beschrieben.

- Anzeige -

Damit ist die Frage, dass es zu wenig Sonderpädagogen gibt, aber noch nicht beantwortet. Gibt es denn genügend Bewerber, damit die Erhöhung der Ausbildugnskapazität überhaupt einen Sinn ergibt?

Wannig: Wir haben derzeit auch die Situation, dass die Zahl der inklusiv beschulten Kinder zunimmt – und die in den Sondereinrichtungen auch. Es sind zuviele Kinder gemeldet. Die Fallzahlen wirken sich auf den Ressourcenbedarf aus, da gibt es noch Steuerungsbedarf.   

Das heißt, Sie wollen nicht die Zahl der Sonderpädagogen erhöhen, sondern lieber die Zahl der Kinder mit Förderschwerpunkt mindern?

Wannig: Nein. Aber es muss austariert werden. Aktuell ist beispielsweise der Numerus Clausus für das Studium der Sonderpädagogik recht hoch. Wenn man den senkt, gehen alle in dieses Studium, dann haben wir in fünf Jahren ein anderes Problem – das hatten wir auch schon. Es gibt auch ein Konzept der Nachqualifikation etwa für die Hauptschullehrer, die an den Werkrealschulen  nicht mehr gebraucht werden. An der Baustelle wird auf verschiedenen Ebenen gearbeitet. Das Steuer darf nicht herumgerissen, sondern fein ausjustiert werden, da muss man ein feinen Schräubchen drehen.  

 Zum Beispiel am Antragsverfahren? Das sei viel zu kompliziert, klagen Eltern, und sie erführen oft erst ganz kurz vor Schulbeginn, welche Schule ihr Kind besuchen soll?

Wannig: Das ist in einer Verwaltungsvorschrift geregelt, die Ausgestaltung und Durchführung obliegt dem Staatlichen Schulamt. Den Elternwünschen wird im Rahmen einer »Schulangebotsplanung« Rechnung getragen, die Schulverwaltung bemüht sich, sinnvolle Gruppenangebote, so wohnortnah wie möglich zu schaffen.

Aber, wie die Eltern klagen, meist sehr kurzfristig vor Schulbeginn? Und für die Anträge müssten viele Stellen zusammenspielen Wenn das Staatliche Schulamt die Ausgestaltung regelt, warum kann sie diese nicht einfach elternfreundlicher gestalten?

Wannig: Da ist das Staatliche Schulamt nicht alleiniger Herr imRing. Oft liegt es daran, dass ein Förderschwerpunkt zunächst einmal nachgewiesen werden muss. Es muss eine Diagnostik erfolgen, dann wird überlegt, was gibt es wo, und wo gibt es noch weitere Kinder. Verschiedene Behörden sitzen da am runden Tisch mit der Schule und den Eltern. Das nennt man Bildungswegekonferenz. Oft kommen die Anträge, die das alles einleiten, zu spät. Das ist ein recht langwieriger Prozess. 

Die Lehrer der SBBZ beraten die Eltern über die Schulorte der Kinder. Das heißt, wenn sie zu viele Kinder pro Regelschule beraten, schaffen sie sich selbst ab? Besteht da ein Interessenskonflikt?

Wannig: Das ist nicht so, hat sich aber vielleicht nicht bis in alle ländlichen Räume herumgesprochen. Die Pädagogen erstellen nur das Gutachten, die Beratung über den Förderort obliegt allein dem Staatlichen Schulamt. Die Pädagogen können den Förderschwerpunkt empfehlen, nicht, ob Sonderschule oder Regelschule. 

Was raten Sie Eltern: Wann sollen Sie den Antrag auf Überprüfung, ob ein Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot vorliegt, stellen, damit sie früh genug über den Lernort für ihr Kind entscheiden können?

Wannig: Eltern sollten möglichst frühzeitig und ohne Scheu auf das Staatliche Schulamt zugehen, sodass notwendige Maßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden können. Falls bei dem Kind der Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot bestätigt wird, haben die Eltern die Wahl zwischen der Beschulung an einer Sondereinrichtung oder im Rahmen eines inklusiven Gruppenangebotes. Mein Apell an die Eltern: Vertrauen Sie auf die fachkundige und umfassende Beratung durch die Schulverwaltung vor Ort.

Weitere Artikel aus der Kategorie: Kinzigtal

Xxxxxxxxx Foto: Xxxxxxxxx
vor 4 Stunden
Haslach im Kinzigtal
Die Freien Wähler im Wahlkreis Haslach/Zell haben ihre Kandidaten für die Kreistagswahl vorgestellt. Mühlenbachs früherer Bürgermeister Karl Burger tritt nach 30 Jahren nicht mehr an.
Der Roboter ist Geschichte: Josef Vetterer (von links), Oliver Kiefer, Michael Schönauer, Lucas Bächle und Bürgermeister Thomas Geppert stellten am Mittwoch den nagelneuen Grillo-Rasentraktor vor. Zum Entladen kann der den Fangbehälter in die Höhe recken. 
vor 4 Stunden
Wolfach - Halbmeil
Der Roboter ist Geschichte: Ein Aufsitz-Mäher soll die Pflege des Halbmeiler Sportplatzes effizienter machen und auch besser für den Rasen sein.
Zwischen Liebich-Villa und der Firma Brüstle ist genug Platz für gutes Wohnen, hat die provisorische Absteckung der Baugrenzen gezeigt. 
vor 10 Stunden
Gutach
Für alle Interessenten des genossenschaftlichen Bauens auf dem Liebich-Areal findet am Montag, 29. April ein erster Workshop statt, in dem die Ziele der Planungsgemeinschaft diskutiert werden.
Künftig erhalten die Feuerwehrleute für einen Einsatz 15 statt zwölf Euro.
vor 13 Stunden
Schenkenzell
Für Schenkenzells Feuerwehrleute gibt es künftig mehr Geld. Der Gemeinderat hat die Feuerwehr-Entschädigungssatzung angepasst. Die letzte Erhöung gab es 2013.
Die Pflege des Brauchtums ist eine der Aufgaben des Bundes Heimat und Volksleben. Regelmäßig werden daher Kreistrachtenfeste ausgerichtet, wie etwa 2016 in Ottenhöfen. 
vor 16 Stunden
Oberwolfach
Der Oberwolfacher Martin Welle ist seit Kurzem Vorsitzender des Bundes Heimat und Volksleben, dem größten Trachtenverband Deutschlands. Er erzählt, wie es dazu kam und was er alles vor hat, um die Tradition aufrecht zu erhalten.
Im Dachgeschoss des gemeindeeigenen Gebäudes in der Straße Heilig Garten wird das Badezimmer für rund 20.000 Euro saniert. 
vor 20 Stunden
Schenkenzell
Das Bad in einer gemeindeeigenen Schenkenzeller Wohnung ist in die Jahre gekommen und soll bis zum Sommer saniert werden. 20.000 Euro wird die Sanierung kosten.
Ehrung beim DRK-Ortsverein Bad Rippoldsau-Schapbach (von links): Stefan Günther (stellvertretender Präsident des DRK-Kreisverbands), Dietmar Rebell (zweiter Vorsitzender des Ortsvereins), Gisela Lobmiller (Kreisbereitschaftsleiterin), Erna und Ludwig Kern sowie Bürgermeister Bernhard Waidele.
vor 20 Stunden
Bad Rippoldsau-Schapbach
In der Hauptversammlung des DRK-Ortsvereins Bad Rippoldsau-Schapbach wurde der Vorsitzende Ludwig Kern für 50-jährige Mitgliedschaft geehrt.
Der Jahresausflug der Hausacher Landfrauen führt am 21. September nach Heidelberg. 
vor 20 Stunden
Kinzigtal
Der Landfrauenverein stellt sein abwechslungsreiches Programm vor, das allen Frauen offensteht. Schon am kommenden Dienstag geht es in die „Shower World“ nach Schiltach.
"Die ist voll flauschig", sagt die neunjährige Kim (rechts). Völlig angstfrei lassen die Kinder die Vogelspinne von Kevin Sperlich über ihre Hände krabbeln.
vor 20 Stunden
Kinzigtal
Eine sehr große Resonanz erfuhr die Ausstellung "Die Welt der Riesenspinnen" am Sonntag im katholischen Pfarrheim. Viele Familien nutzen die Chance, sich die exotischen Tiere anzuschauen.
Der neue Vorstand des Verschönerungsvereins (sitzend, von links): Gabriele Haubner, Andrea Brucher, Alexandra Vollmer-Himmelsbach und Albert Lienhard. Hinten, von links: Bernhard Obert, Günther Benz, Klaus Matt, Thomas Obert und Bürgermeister Nicolai Bischler.
vor 20 Stunden
Steinach
Der Verschönerungsverein Steinach hat den langjährigen Vorsitzenden Berthold Obert aus seinem Amt verabschiedet. Nun sind jüngere Mitglieder am Zug, die offen für neue Ideen seien.
Das Parken in der Wolfacher Innenstadt und ob es künftig dazu noch Parkautomaten braucht ist eins der wesentlichen Themen im geplanten Verkehrskonzept. 
27.03.2024
Wolfach
Parkautomaten, Stellplätze, E-Mobilität und mehr: Mit der Beauftragung des Büros Fichtner Water & Transportation legte Wolfachs Gemeinderat den Grundstein für ein umfangreiches Projekt.
Ein Mobilfunkmast im Hofstetter Außenbereich soll Funklöcher schließen (Symbolfoto). 
27.03.2024
Hofstetten
Der Gemeinderat Hofstetten zeigte sich in seiner Sitzung am Dienstagabend zuversichtlich, was das Thema Mobilfunkversorgung angeht: Zwei mögliche Mast-Standorte favorisiert die MIG nach Untersuchungen.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • HYDRO liefert etwa Dreibockheber für die Flugzeugwartung. 
    26.03.2024
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl fustionieren
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl schließen sich zusammen. Mit diesem Schritt befinden sich die Kompetenzen in den Bereichen Ground Support Equipment (GSE) und Aircraft- & Engine Tooling unter einem Dach.
  • Alle Beauty-Dienstleistungen bietet die Kosmetik Lounge in Offenburg unter einem Dach.
    26.03.2024
    Kosmetik Lounge Offenburg: Da steckt alles unter einem Dach
    Mit einer pfiffigen Geschäftsidee lässt Elena Plett in Offenburg aufhorchen. Die staatlich geprüfte Kosmetikerin denkt "outside the box" und hat in ihrer Kosmetik Lounge ein außergewöhnliches Geschäftsmodell gestartet.
  • Konfetti, Flitter und Feuerwerk beschließen die große Preisverleihung im Forum-Kino in Offenburg. Die SHORTS feiern 2024 ihr 25. Jubiläum. 
    26.03.2024
    25 Jahre SHORTS – 25 Jahre Bühne für künftige Filmemacher
    Vom kleinen Screening in 25 Jahren zum gewachsenen Filmfestival: Die SHORTS der Hochschule Offenburg feiern Jubiläum. Von 9. bis 12. April dreht sich im Forum-Kino Offenburg alles um die Werke junger Filmemacher. Am 13. April wird das Jubiläum im "Kesselhaus" gefeiert.
  • Das LIBERTY-Team startet am Mittwoch, 27. März, in die Afterwork-Party-Saison. 2024 finden die Veranstaltungen in Kooperation mit reiff medien statt. 
    22.03.2024
    Businessaustausch jetzt in Kooperation mit reiff medien
    Das Offenburger LIBERTY startet mit Power in die Eventsaison: Am Mittwoch, 27. März, steigt die erste XXL-Afterwork-Party mit einem neuen Kooperationspartner. Das LIBERTY lädt zusammen mit reiff medien zum zwanglosen Feierabend-Businessaustausch ein.