Hausacher Stadtschreiber-Tagebuch (1)

Verstörende Freundlichkeit

Lea Streisand
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17. Juli 2018

Lea Streisand aus Berlin ist die 25. Hausacher Stadtschreiberin. ©Claudia Ramsteiner

Lea Streisand lebt seit dem Hausacher Leselenz Anfang Juli als Leselenz-Stipendiatin und Hausacher Stadtschreiberin im Molerhiisle im Breitenbach. Sie wird nun jeden Mittwoch die Leser des Offenburger Tageblatts mit einem Eintrag ins »Stadtschreiber-Tagebuch« an ihrem Leben im Kinzigtal teilhaben lassen:
 

Drei Wochen. Seit drei Wochen sind wir jetzt hier. Mein Mann, unser Baby und ich. Aus Berlin sind wir gekommen. Sechseinhalb Stunden Zugfahrt haben wir hinter uns gebracht. 
»Sie hom‘s glei g‘schofft«, sagte der Schaffner im Regionalzug ab Offenburg, nachdem er uns geholfen hatte, den Kinderwagen in den Zug zu hieven. Aus vor Erschöpfung blutunterlaufenen Augen starrten wir ihn an. Wieso war der so freundlich zu uns? Was stimmte nicht mit dem?

Der Zug war leer, draußen Landschaft. »Das sind Berge!«, sagte Paul, mein Mann, der eigentlich ganz anders heißt, und der jedem Menschen, der ihn mit »Paul« anredet, ohne Vorwarnung die Fresse poliert, also Obacht, liebe Kinzigtaler!

»Nicht diese lächerlichen Hügelchen, die ihr Berliner Berge nennt«, lästerte er. „KreuzBERG, Prenzlauer BERG, SchöneBERG.«
Paul lebt seit zwanzig Jahren in Berlin, seit zehn mit mir zusammen, aber immer, wenn wir aus der Stadt rauskommen, besinnt er sich plötzlich ganz mächtig gewaltig auf seine norddeutsche Herkunft. Er kommt aus Flensburg. Was übrigens auch keine Burg hat. 

Unten links: Da müssen wir hin

Ich hatte Angst vorher, dass ich Asthma kriegen würde hier unten. Ich bin auf alles allergisch, was der Allergologen-Katalog hergibt, von Milchzucker über Katzenpisse bis Schimmel. Deshalb kriege ich auch sofort Asthma, wenn irgendwo zu viel Feuchtigkeit herrscht.
»Guck dir das an«, hatte ich zu Paul gesagt, als wir Wochen vorher nach der Tagesschau immer ängstlich auf die Wetterkarte starrten, »da müssen wir hin. Da unten links. An den heißesten Ort Deutschlands. Wo ständig Unwetter herrscht und immerzu Smog ist.«

»Der Smog ist in Stuttgart«, beruhigte mich Paul. »Wir fahren nach Baden.« »Als ob ditt‘n Unterschied macht!«, polterte ich. »Lass das bloß keinen Badener hören«, murmelte er.
Nun sind wir seit drei Wochen hier und ich wundere mich, dass mir noch keine dritte Lunge gewachsen ist, bei all der guten Luft, die ich hier atme. Auch mein Heuschnupfen ist fast völlig weg. 

Keine Auftritte

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Nur die Freundlichkeit der Menschen hier ist mir immer noch nicht ganz geheuer. Letztes Wochenende war ich für einen Auftritt in Berlin. Ich schreibe ja nicht nur, ich lese das, was ich geschrieben habe, auch berufsmäßig vor. Menschen zahlen mir Geld dafür. Ich wundere mich selbst manchmal.

Auch in dieser Hinsicht werden diese drei Monate eine Umstellung. Ich habe kaum Auftritte in dieser Zeit. Muss hauptsächlich an dem neuen Roman schreiben, für den ich das Stipendium bekommen habe. Paul fürchtet sich auch schon. Er weiß noch, wie das beim letzten Roman war. Damals hatte er geschworen, in Urlaub zu fahren, wenn ich das nochmal machen wolle. Um meinen Launen, Selbstzweifeln und Nervenzusammenbrüchen nicht noch einmal derart ausgeliefert zu sein.

Nun ist er im Urlaub und hat einen Säugling am Hals UND eine verzweifelte Schriftstellerin zur Frau. Deshalb ist es ganz gut, wenn ich ab und zu mal nach Hause fahre zum Vorlesen. Für mein Ego und unseren Haussegen.

Hier wird ja selbst auf dem Radweg gegrüßt

Was soll ich euch sagen. Ich hatte Pipi inne Augen, als der Zug am Berliner Hauptbahnhof einfuhr! So viele Menschen! Diese Geschwindigkeit! Diese Sprache! Niemand beachtete mich, niemand grüßte. Ich konnte einfach in die Menge tauchen. Anonym.

Hier wird ja selbst auf dem Radweg gegrüßt. In Berlin kommunizieren Fahrradfahrer ausschließlich über Sturmklingeln und wüste Pöbelleien miteinander. »Hau ab, du Fotze!«, gilt bei uns als freundliche Begrüßung. Die Radfahrerin ist dem Radfahrer ein Wolf. Und dem Autofahrer ein Stinktier. Und Fußgänger, die sich auf den Radweg verirren, werden bei uns direkt überfahren. Ohne Vorwarnung. Sind sowieso meistens Touristen. Und wer kann die schon leiden!

Ich hoffe nur, dass ich mich nicht zu sehr an die gegenseitige Rücksicht gewöhne, die hier im Schwarzwald herrscht. Sonst werde ich beim nächsten Heimatbesuch direkt überfahren.

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