Vom Optiker verordnet

Lea Streisand wird heute, Donnerstag, als Hausacher Stadtschreiberin begrüßt. ©Gerald von Foris
Der Hausacher Leselenz prägt nun wieder das kulturelle Leben in Hausach. Bis zum Ende der Literaturtage am Freitag, 6. Juli, lesen Sie an dieser Stelle eine Gastkolumne von Autoren, Leitern der Schreibwerkstätten und Moderatoren. Laut José A. Oliver gab es »in den acht Jahren noch keine so schöne Bewerbung um das Leselenz-Stipendiat« wie die folgende. Mit diesem Brief hatte sich Lea Streisand, die heute Abend als Stadtschreiberin begrüßt wird, in Hausach beworben:
Sehr geehrter Herr Märtin, letzte Woche war ich beim Optiker. Ich hatte in letzter Zeit öfter so ein Flimmern vor den Augen. Ich dachte, na, wer weiß, bist ja auch schon Ende dreißig, da ist es ja eigentlich ein Wunder, dass ich keine Brille trage, bei all den Buchstaben um mich rum. Der Optiker steckte mich in einen Kasten, maß, schob und testete, ließ mich stundenlang wilde Geheimcodes von einer Wandtafel ablesen.
Am Ende sah er mich erschöpft an und sagte: »Wissen Sie was, Frau Streisand, ich glaube, Sie brauchen keine Brille. Ich glaube, Sie brauchen einfach Urlaub.«
»Das geht doch nicht«, rief ich. »Ich muss doch den Roman fertig schreiben!« Der Optiker nahm seine Brille ab und putzte sie nachdenklich. »Gibt es da nicht so was? Landverschickungen für Schriftsteller? Zauberberg oder so?«
»Es gibt so Stipendien“, sagte ich. »Sehn Sie!« rief der Optiker und setzte seine Brille wieder auf. »Das müssen Sie machen! Ein Stipendium! Raus aus Berlin. Irgendwohin wo’s schön ist. Am besten in die Berge!«
Lieber Herr Märtin, darf ich bitte zu Ihnen nach Hausach in den schönen Schwarzwald kommen und mein Buch fertig schreiben? Mein Optiker hat’s ver-ordnet.
Herzliche Grüße aus dem sonnigen Berlin
Ihre Lea Streisand
Lea Streisand wird heute, Donnerstag, um 9.30 Uhr im Hausacher Rathaus als Stadtschreiberin begrüßt, gemeinsam mit Julia Willmann und Timo Brandt.