Inklusion im Kinzigtal (11)

Von der Reha-Werkstatt in den »ersten Arbeitsmarkt«

Claudia Ramsteiner
Lesezeit 4 Minuten
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04. April 2017

Guido Falk (hinten) wurde in der Reha-Werkstatt von Marco Di Sabatini betreut. Nun zeigt er ihm stolz seinen Arbeitsplatz in der »realen Arbeitswelt« von Binder & Wöhrle. ©Claudia Ramsteiner

Wenn jeder Mensch mit und ohne Behinderung überall dabei sein kann, dann nennt man das eine gelungene Inklusion. In einer Serie beleuchten wir die Inklusion im Kinzigtal – wo sie gelingt und wo es noch hapert. Heute: Wie die Gesellschaft zur Förderung psychisch Kranker Menschen in den »ersten Arbeitsmarkt« integriert.
 

Guido Falk bedient drei Trennmaschinen der Firma Binder & Wöhrle in Hausach. Er arbeitet dort eine normale 38,5-Stunden-Woche, bekommt seinen Lohn, er und sein Arbeitgeber führen ihre Sozialversicherungsbeiträge ab. Darauf ist der 42-jährige Haslacher mächtig stolz. Und das darf er auch sein, lobt Marco Di Sabatino, der »FBI« der Werkstätten Kinzigtal und Lahr der Reha Gesellschaft zur Förderung psychisch Kranker. 

»FBI« steht für »Fachkraft berufliche Integration«, und Guido Falk ist geradezu ein Paradebeispiel, wie die Integration in den »ersten Arbeitsmarkt« gelingen kann: »Das packen da draußen in der realen Arbeitswelt dauerhaft nur fünf bis sieben Prozent!« Wie sehr der Weg von Guido Falk sein Selbstbewusstsein gestärkt hat, ist schon daran zu erkennen, wie selbstverständlich und frei er über seine Krankengeschichte spricht.  

Anstoß in der Therapie der Diakonie

Irgendwann wurde ihm klar, dass er mit seinen psychischen Problemen Hilfe braucht. Seinen gelernten Beruf als Bürokaufmann konnte er nicht mehr ausüben. In der Sozio-Therapie der Diakonie in Hausach wurde er auf die Möglichkeit, in der Reha-Werkstatt in Hausach Arbeit zu finden, hingewiesen.

Einige Zeit musste er noch darauf warten – allerdings nicht ohne Perspektive. Die Reha-Werkstatt hält steten Kontakt zu ihren »Interessierten«. »Da braucht es zunächst ein ärztliches Attest, der Fachausschuss und der Kostenträger müssen ihre Zustimmung geben, das ist ein bürokratischer Weg – und nicht zuletzt haben wir mit 80 Beschäftigten in Hausach und 17 in Fischerbach nur eine begrenzte Kapazität«, erläutert Sandra Lehmann, die Teamleiterin für die Werkstätten in Hausach und Fischerbach. 

Umfangreiches Schulungsprogramm

Guido Falk durfte nun in der Werkstätte im Hausacher Industriegebiet-Ost im Berufsbildungsbereich starten. Er absolvierte innerhalb von zwei Jahren ein umfangreiches Schulungsprogramm: »Wir haben ein sehr breites Spektrum an Arbeiten, bei denen man Stärken herausfiltern und nutzen, aber auch Schwächen erkennen und gezielt fördern kann«, so Lehmann.

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Und bald war Guido Falk reif für die ersten Praktika in anderen Firmen. Marco Di Sabatino hat ein großes Netzwerk und versucht ständig, Praktikums-Arbeitsplätze für seine Schützlinge zu generieren. Die nächste Stufe ist dann ein »Außenarbeitsplatz«, den Guido Falk nach einem Praktikum bei Binder & Wöhrle erhielt«. »Das war super für mich«, blickt er heute erleichtert zurück. Die »Außenarbeitsplätze« sind eine Vorstufe für ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis, informiert Sandra Lehmann. Die »Außenarbeiter« bleiben bei der Reha beschäftigt, müssen sich aber in dem neuen Arbeitsumfeld unter realen Bedingungen bewähren. 

Hohe Ansprüche der Unternehmen

Pünktlichkeit, Motivation, Durchhaltevermögen – dies alles sei bei psychisch kranken Menschen keine Selbstverständlichkeit, sagt Di Sabatino. Der Jugend- und Heimerzieher weiß um die »sehr hohen Ansprüche« der Unternehmen. Der immer größer werdende Leistungsdruck mache ja auch schon völlig gesunden Menschen zu schaffen. 
Aktuell arbeiten gerade 36 Reha-Beschäftigte auf Außenarbeitsplätzen. Sechs konnten im vergangenen Jahr in sozialversicherungspflichtige Stellen vermittelt weren – darunter auch Guido Falk. Falk spricht von einem »super Umfeld« bei Binder & Wöhrle, er komme mit seinen Kollegen sehr gut aus und fühle sich angenommen. Er müsse weiterhin medikamentös behandelt werden, sei aber »auf einem stabilen Weg«.

»Die meisten unserer Beschäftigten sind chronisch krank«, sagt Sandra Lehmann. Das Krankheitsbild im psychischen Bereit, die ärztliche Diagnose und die Entscheidung des Fachausschusses sei auch Vorsaussetzung für eine Aufnahme in die Reha-Werkstatt.

Drogen häufig Ursache für psychische Erkrankung

Es seien eher ältere Beschäftigte so zwischen 35 und 50 Jahren, die in den »ersten Arbeitsmarkt« vermittelt werden können. Jene, die bereits einmal in einem Arbeitsverhältnis waren und sich mit den Anforderungen wie Pünktlichkeit und Stehvermögen bereits auskennen. »Die Jüngeren brauchen oftmals aufgrund der nicht gemachten Berufserfahrungen etwas länger Zeit, um sich in den ersten Arbeitsmarkt einzufinden«, so Lehmann. 

In Lahr sei die Vermittlungsrate weit schlechter. Dort würden viel mehr junge Menschen in die Reha-Werkstatt aufgenommen. Ursachen für eine psyschische Erkrankung bei jüngeren Menschen seien meist Drogen – »die synthetischen Designerdrogen wie Speed und LSD sind ein Teufelszeug, die in kurzer Zeit das Gehirn kaputt machen«, macht der Jugend- und Heimerzieher deutlich. Und diese seien es, neben dem Leistungsdruck, die für die steigende Zahl von psychisch erkrankten Menschen verantwortlich seien. 
 

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