Schenkenzell/Mittleres Kinzigtal

Wanderschäfer bringen ihre Herden bis nach Gengenbach

Martina Baumgartener
Lesezeit 4 Minuten
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22. Januar 2018

(Bild 1/3) Gleichmäßig verteilt und friedlich grasen Schafe auf den Wiesen der Winterhalde in Schenkenzell. Doch der idyllische Anblick trügt: Die Anzahl der Wanderschäfer und Schafherden nimmt stetig ab. ©Martina Baumgartner

Wanderschäfer und ihre Herden ziehen zurzeit durchs Kinzigtal zu den noch immer saftigen Winterwiesen. Ein Bild, das vielleicht schon bald der Vergangenheit angehöre, mahnt Schäfermeister Karl Storr.

Wann er morgens mit seinen 582 Schafen weiterziehen kann, weiß Schäfer Karl Storr nach einem ersten prüfenden Blick über die Herde. Schnell sieht er, ob eines vielleicht hinkt und Betreuung benötigt. »Man weiß nie, was der neue Tag bringt«, sagt er. 

Seit 54 Jahren führt der Meisterschäfer, der das Handwerk bei seinem Vater lernte, seine Herde zwischen den Sommerweiden auf der Schwäbischen Alb bis zu den Winterwiesen nach Gengenbach. Wenn das Gras in Hechingen erfriert, zieht er mit seiner Herde dem noch frischen Gras in milderem Klima nach – über Empfingen, das Glattal hinauf bis Dornhahn und in Richtung Freudenstadt, dann das Kinzigtal hinab über Schiltach sowie Wolfach, Hausach, Haslach bis nach Gegenbach.

Nie ohne »Wanderpapiere« 

Doch bevor der 67-Jährige losziehen kann, muss er die Genehmigung des Veterinäramts einholen. Dessen Mitarbeiter beurteilen zunächst den Zustand der Schafe vor Ort und entscheiden dann über die Wandertauglichkeit der Tiere. 
In jedem Winter und Frühjahr tritt Storr die Wanderung mit seiner Herde an. Mit von der Partie sind die Hütehunde Prinz und Caro, zwei
Border-Collies.

In diesem Jahr ist der Wanderschäfer spät losgekommen, denn das Gras stand noch gut auf den Alb-Wiesen. Wie lange er mit seiner Herde von dort bis Gengenbach braucht? Unterschiedlich: manchmal drei, manchmal vier Wochen. Er hat Zeit. Dort, wo die Schafe grasen können, bleibt er.

Doch nicht an jeder saftigen Wiese machen die Schäfer halt. Manchmal kennzeichnen deren Eigentümer ihre Flächen mit einem sogenannten Strohwisch: Steht dort ein strohumwundener Holzsstock in der Mitte, muss der Schäfer
weiterziehen.

Große Schäferkunst

Storr steht auf der Straße beim Hotel »Winterhaldenhof« in Schenkenzell und blickt auf  seine rund 600 Schafe hinunter, wie sie gleichmäßig verteilt und ruhig grasend auf den Wiesen unterhalb stehen. »Das ist Schäferkunst, so soll es sein«, sagt er und beobachtet diverse Spaziergänger und Hundeführer in der Fläche – potenzielle Störer der Idylle. 

Gegen 17 Uhr baut er den Zaun um die Schafe herum auf, die dicht zusammengedrängt eine weitere Nacht auf der Fläche bleibt und erst am nächsten Morgen in Richtung Schiltach weiterziehen. Befürchtungen, dass ihm mal ein Schaf auf dem Zug durch die Stadt verloren ginge, hat der Hüter nicht: »Der Herdentrieb hält die Bande zusammen«, sagt er und die folgt ihrem Anführer, der immer wieder ein langezogenes »Kommt« ruft. 

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Bald ist Schluss

Die Schafe seien Storrs Leben – gewesen, betont er, denn bald ist Schluss damit. Immer höhere gesetzliche Anforderungen verleiden ihm nicht nur den Beruf, sondern machten ihn schier unmöglich, sagt er. Auch tauchen immer wieder Vorwürfe wegen Tierquälerei gegen manche Schäfer auf. »Das ist bitter«, bedauert er.

Zudem hätte er lange Arbeitszeiten, an sieben Tagen in der Woche, keinen Urlaub und wenig Verdienst. Mit der Schafwolle sei kein Staat mehr zu machen – Preisverfall. Der Eigentümer der Herde lebt vom Verkauf der Lämmer. 

Natur- und Landschaftspflege

Es stört ihn auch, wie sich manche Menschen verhalten, die ihm auf der Wanderschaft begegnen: »Alle sind vom Anblick der Schafherde begeistert, aber wehe es blökt mal eines in der Nacht oder der Hund tut seine Pflicht und schützt bellend seine Viecher vor Neugierigen oder die Straßen sind verschmutzt, wenn wir durchgezogen sind, dann hagelt es Beschwerden«, stellt er fest. »Dabei trägt die Wanderschäferei einen enormen Anteil an der Natur- und Landschaftspflege, was allen dort lebenden Menschen zugute kommt«, erklärt er. Kein Wunder sei es für Storr, dass die Wanderschäfer immer weniger würden.

Dabei sei es einer der ältesten Berufe der Welt: »Schon beim Jesuskindlein standen Schäfer«, sagt er. Bis der Antrag des Landesschafzuchtverbands Baden-Württemberg auf die Aufnahme der Wanderschäferei im Südwesten Deutschlands als immaterielles Weltkulturerbe durch wäre, gebe es die Wanderschäferei wohl nicht mehr, vermutet der Schäfer von der
Schwäbischen Alb.

Seinem Enkel mag er diesen Beruf nicht empfehlen. Und doch lernt dieser die Schäferkunst und möchte den Beruf dann in vierter Generation der Familie ausüben.

 

Stichwort

Antrag auf Weltkulturerbe gestellt

Der Landesschafzuchtverband Baden-Württemberg stellte im Oktober des vergangenen Jahres einen Antrag auf die Aufnahme der Wander- und Hüteschäferei in die bundesweite Liste des immateriellen Weltkulturerbes der Deutschen Unesco Kommission. »Insgesamt gibt es neun Bewerbungen in Baden-Württemberg«, informiert die Geschäftsleiterin des Zuchtverbands Anette Wohlfahrt auf Nachfrage des Offenburger Tageblatts. Die Kommission fällt die Entscheidung im Sommer diesen Jahres.

Stichwort

Scheren ist teurer als die Wolle

  • In Baden-Württemberg gibt es 110 hauptberufliche Schafhalter und circa 15 Wanderschäfer
  • Rückgang der Schafhaltung um 30 Prozent in den vergangenen zehn Jahren
  • Pro-Kopf-Verbrauch Lammfleisch in Deutschland ist ein Kilo (Griechenland 14 Kilo)
  • Stundenlohn eine Schäfers (einschließlich Förderung) 6,50 Euro.
  • Wollpreis pro Kilo 1990 1,80 bis 2,30 Euro; 2018 0,50 bis 1,20 Euro
  • Schurkosten 3,80 Euro pro Schaf

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