Welt-Autismus-Tag: Normal, aber anders

Wenn Moritz auf den Spielplatz kommt, nehmen andere Kinder oft Reißaus. Er liebt es mit Sand zu schmeißen, zu Matschen und mit Wasser zu plantschen. ©Christian Joos
Christian Joos, Ausbilder in der Hansgrohe-Talentschmiede und Vater eines autistischen Kindes hat im Jahr 2011 das Elternnetzwerk »Autismus Ortenau« gegründet. Zum heutigen Welt-Autismus-Tag berichtet Joos, wie er dazu kam und wie seine Familie den Alltag bewältigt.
Wenn Familie Joos in Urlaub fährt, heißt das nicht nur gezielt packen, weil zwei siebenjährige Brüder mit von der Partie sind, sondern es ist ein logistisches Phänomen. »Moritz hat Angst vor fremden Toiletten. Warum, weiß niemand und damit beginnt die Problemlösung auf Reisen«, erklärt Christian Joos. Er und Brigitte Joos sind die Eltern der Zwillinge Valentin und Moritz. Valentin ist ein aufgeweckter, neugieriger und hilfsbereiter Junge. Moritz auch – nur merkt man es nicht gleich: Moritz ist autistisch.
Bald nach der Geburt der Zwillinge stellte sich heraus, dass Moritz stark entwicklungsverzögert war. Doch noch gab es keinen Grund zur Besorgnis, erklärte der Kinderarzt. Die Eltern ließen das Gehör des Sohnes testen und Moritz gründlich untersuchen – alles negativ. »Einerseits war das gut, andererseits plagte uns die Ungewissheit weiter«, erklärte Joos. Die Eltern förderten ihre Kind, wo es ging, jedoch ohne eine eindeutige Diagnose zu haben.
Zufällig davon gehört
Zufällig stieß Joos im Internet auf ein Reha-Forum und beschrieb den Zustand seines Sohnes. »Erstmals hörte ich dort von Autismus«, berichtet er. Zu diesem Zeitpunkt war Moritz vier Jahre alt. Nach über einem Jahr Wartezeit kam es nach der Diagnose und der Überwindung eines Zuständigkeits-Dschungels sowie Förderantrags-Kämpfen um die Finanzierung der Therapie im monatlich vierstelligen Bereich endlich zur Behandlung. Die musste auch genau zu Moritz passen.
»Es gibt einfach keine zwei gleichen Autisten«, erklärt Joos die Vielfältigkeit der Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsstörung, deren Ursache ungeklärt ist. Heute haben sie eine Therapeutin gefunden, die in Deutschland und in den USA praktiziert. In wöchentlichen Skype-Sitzungen wird die Therapie abgestimmt.
Äußerlich ist Moritz die Behinderung nicht anzusehen. Deshalb wird er manchmal als unerzogen eingeschätzt. Doch auch er hat Regeln – seine eigenen. Wenn andere weinen, muss er lachen, wenn er spielt, dann manchmal bis zum Defekt des Spielzeugs. Sind andere leise, ist er laut. Wenn er traurig ist, dann für lange Zeit. Wenn es die Eltern eilig haben, ist das für ihn kein Grund schneller zu machen.
Seine Spiele sind anders – er kann stundenlang und mit monotoner Bewegung Steine ins Wasser schmeißen und darf dabei nicht unterbrochen werden. Abends, wenn kein Auto mehr am Haus vorbei fährt und die Reize nachlassen, wird Moritz gesprächig und kann konzentriert immer wieder dieselbe Fernsehsendung schauen.
Unterstützung und Auszeit
Unterstützung erhält das Paar auch von einer Familie, bei der Moritz zeitweise ist und manchmal übernachtet. »Das ist Gold wert«, sagen die Eltern. Außerdem nimmt sich das Paar jährlich 24 Stunden »kinderfrei« und wohnt eine Nacht im Hotel in der Nachbarschaft. »Danach sind wir wieder startklar für das spannende Leben mit unseren Kindern«, meint Joos mit viel Elan.
Elternnetzwerk Autismus-Ortenau
Mit der Erfahrungen aus dem Leben mit einem autistischen Kind, mit Ärzten, Therapiemöglichkeiten, Förderanträgen und vielem mehr hat Christian Joos ein Elternnetzwerk aufgebaut, an dem zur Zeit rund 60 Familien beteiligt sind. Er verknüpft Selbsthilfegruppen miteinander, stellt Kontakte her, ist dabei eine Ärztedatenbank aufzubauen und gibt und erhält viel Unterstützung von betroffenen Familien.
Einmal monatlich treffen sich die Beteiligten in Offenburg. Oft spricht ein Referent zum Thema und die Familien tauschen sich aus. Im vergangenen Jahr ist eine Homepage dazu gekommen, die Joos regelmäßig pflegt: www.autismus-ortenau.de