Eine deftige „Schlachtplatte“ serviert

Eine Frau und drei Männer laden zur „Schlachtplatte“. ©Foto: Wolfgang Künstle
Die „Schlachtplatte“ kommt seit 15 Jahren nach Lahr. Die kabarettistische Jahresendabrechnung wollten am Sonntag 400 Interessierte sehen.
Nach 15 Jahren darf man die „Schlachtplatte“, die der Kölner Kabarettist Robert Griess (56) dem Lahrer Publikum serviert, „Tradition“ nennen. Zunächst namenspassend im Schlachthof, seit letztem Jahr im Parktheater, zieht Griess – assistiert von Jens Heinrich Claassen (Hamburg), Sebastian Schnoy (Münster) und Kathi Wolf (Neu-Ulm) – alle Register komödiantischer Unterhaltung. Mit 400 Gästen ist das Kulturamt der Stadt Lahr hochzufrieden, im vergangenen Jahr musste die Teilnehmerzahl noch gedeckelt werden und das Publikum mit 2G-Plus-Regel und Maske leben.
Doch eine „Endlich-wieder-frei“-Stimmung herrscht nur bedingt. „Deutschlands geht’s schlecht“ heißt es im Intro und die in weiße Arztkittel gekleidete Truppe geriert sich als Diagnoseteam der „offenen Notfallsprechstunde“. Der Chefarzt konstatiert ein vor ihm sitzendes „riesiges Baumwollfeld“, schmeichelt den Grauköpfen aber umgehend: Sie gehörten „zur letzten Generation, die noch in der Lage ist, Botschaften zu verstehen, die mehr als 200 Zeichen zählen“.
Der ironisch-unterhaltsame Akzent ist damit gesetzt, er durchzieht das Aufwärmprogramm mit flotten Sprüchen etwa über Donald Trumps Biographie im Pixi-Format, bevor im Wechselspiel von Lied und Text Trends und Ereignisse des Jahres 2022 abgearbeitet werden. Kathi Wolf knöpft sich die Präsenz und Wahrnehmung von Frauen in der Politik vor. Ja, es gebe jetzt endlich mehr Frau in Spitzenpositionen, dennoch sei „Frauenquote“ immer noch ein Wort „so verhasst wie Seitenbacher“. Und immer noch würden Frauen vor allem nach dem Aussehen beurteilt, während Männern peinliche Tanzeinlagen (Friedrich Merz) oder Frisuren wie „ein totes Meerschweinchen“ auf dem Kopf (Boris Johnson) nachgesehen werden.
Die so benannte Zeitenwende wird von mehreren Seiten angepackt. Von der kaum einsatzbereiten Bundeswehr, die vermutlich „noch nicht einmal einen Angriff der Friesenheimer Jugend auf die Bäckerei Kappus“ – man kennt sich aus in Lahr! – abwehren könne, geschweige denn die russische Armee. Über die Verzweiflung des grünen Freiburger Urgesteins Torben, das sich gegen die Vorwürfe seines Sohnes Titus Aurelius wehren muss: „Ich war schon woke, als es das Wort noch gar nicht gab“. Er, der früher „love statt war“ wollte und nun Waffen für die Ukraine befürworten muss. Und seinen Volvo-SUV als „Friedenstaube auf vier Rädern“ verniedlicht.
Die zweite Hälfte ist dann deutlich griffiger. Es gehe jetzt mehr unter die Gürtellinie, verspricht Pianist und Sänger Jens Henrich Claassen und wandelt umgehend virtuos auf dem Grat zwischen Komik und Peinlichkeit: „Die gemeinsame Darmspiegelung – hält die Liebe frisch und jung“. Das Lied sei – mit ein paar hilfreichen Hinweisen – sogar von einem medizinischen Fachverband gutgeheißen worden, schwört Claassen. Und es kommt umgeschriebenes Liedgut zum Mitsingen in Einsatz.
Flut an Krimiserien
Ungetrübte Zustimmung aus vollen Herzen und lauten Kehlen erntet Sebastian Schnoys Attacke auf das Fernsehprogramm mit der scheinbar nicht aufzuhaltenden Flut von Krimiserien. Jedes Kaff kriegt seinen Tatort. „Als ob es nicht schon genug Mord und Totschlag auf der Welt gäbe“. Und dann immer das gleiche Muster: Mann mit Hund findet Leiche, wirre Ermittlungen von disparaten, oft zerlumpten Kommissaren – „und nach 90 Minuten findet man immer den Täter“. Grenzenloser Jubel. Auch beim herzhaften Hohn auf die Talkshow-Einfalt: Ein Container mit 30 austauschbaren Darstellern, aber „einer muss immer Karl Lauterbach heißen“.
So war’s, so ist es. Was kann man aus 2022 überhaupt nach 2023 mit rüber nehmen? „Es kann nur besser werden“, meint Robert Griess. Am Schluss helfe – so der Kölner – nur noch beten. Dass die „Schlachtplatte“ im nächsten Jahr wiederkommen wird, treibt den verdienten Applaus auf die Spitze.