Feuerwehr sammelt reisende Reporterin ein

(Bild 1/2) Die Feuerwehr Oberweier vor ihrem neuen Löschfahrzeug mit ihrem Gast (von links): Moritz Busam, Michael Hahn, Sven Grundmann, Jessica Schober, Christian Beck, Michael Rottler, Thomas Kirn und Matthias Göbbels. ©Wolfgang Schätzle
Seit knapp zwei Monaten ist die junge Reporterin Jessica Schober quer durch Deutschland unterwegs - auf einer Reise durch den Lokaljournalismus. Mit der Feuerwehr Oberweier kam sie nun zum Lahrer Anzeiger. Ein Bericht über ihre Ankunft in Text und Video.
Die Sirene jault. Das Blaulicht blitzt. Die Bewohner aus Oberweier kommen an die Gartenzäune gerannt. Die Druckluftfanfare des knallroten Wagens dröhnt so laut, dass sich die Kinder am Straßenrand die Ohren zuhalten. Dennoch freuen sich alle, einige jubeln gar den Feuerwehrmännern zu. Kein Noteinsatz ist Grund für den Lärm am Donnerstagabend, sondern reine Freude: Oberweier hat ein neues Feuerwehrauto. Und dazu noch einen besonderen Gast an Bord.
Das bin ich. Eine Lokaljournalistin auf Wanderschaft. Die Männer der Feuerwehr haben mich am Nachmittag an einer Autobahnraststätte der A 8 freundlicherweise eingesammelt. Sie haben mich mitgenommen und gleich bei sich einquartiert. Denn ich darf kein Geld fürs Reisen und Übernachten ausgeben. Zur Zeit bin ich auf der Wortwalz – so nenne ich meine Reise durch den deutschen Lokaljournalismus. So wie sonst Zimmerleute, Tischlerinnen oder Bäcker durchs Land reisen, ziehe ich von Betrieb zu Betrieb, um mehr über mein Handwerk zu lernen. In diesem Fall also den Lokaljournalismus.
Video: Jessica Schober erklärt die "Wortwalz"
Und was gibt es für eine reisende Reporterin Besseres, als von einem Dutzend Feuerwehrmänner mit Blaulicht durch die Gegend kutschiert zu werden? Noch dazu in dem »LF 10-Allrad«, wie das neue Fahrzeug der Truppe heißt. Als wir unsere wilde Fahrt durch die Ortschaften an der Tankstelle beenden, kommt gerade auch noch der Lokalreporter Wolfgang Schätzle vom Lahrer Anzeiger vorbeigefahren. Und holt mich direkt zu dieser Zeitung.
Ein wunderbarer Einstieg für mich in der Ortenau. Einen Sommer lang reise ich schon ich schon auf diese Weise durchs Land. Ende Juli bin ich zu Fuß in München losgelaufen und habe seitdem in Lokalredaktionen von Pfaffenhofen bis Harburg über Bayreuth und Burgdorf gearbeitet. Mal übernachte ich bei einer Kulturredakteurin, mal beim Gerichtsreporter. Manchmal schlafe ich auch im Wald, mal mit Obdachlosen unter der Brücke, um eine Reportage darüber zu schreiben. Ich wandere viel, ansonsten trampe ich. Und so bin ich auch an diesem Nachmittag an der Autobahnraststätte gelandet. Völlig planlos, weil ich meinen Autoatlas verloren hatte. Eine halbe Stunde lang suche ich schon nach einer Mitfahrgelegenheit, als ich die Männer in dunkelblauer Feuerwehruniform auf mich zukommen sehe. »Ihr habt doch bestimmt noch einen Platz für mich frei?«, frage ich Gruppenführer Christian Beck. Der grinst und nickt.
Als ich den Wagen sehe, kann ich die Aufregung unter den Feuerwehrmännern verstehen. In leuchtendem Rot wartet das LF 10 darauf, in seine neue Heimat nach Oberweier gefahren zu werden. Um 4 Uhr hat sich die Gruppe auf den Weg nach Giengen an der Brenz gemacht, um das Fahrzeug bei der Firma Ziegler abzuholen. Vor Ort gab es noch eine Einweisung: Wo welcher Löschschlauch liegt, wo die sechs Atemschutzgeräte verstaut sind und wo der Schaumtank eingebaut ist, wurde den freiwilligen Feuerwehrmännern erklärt. Sie erzählen mir auf der Rückbank ganz begeistert davon.
»Das ist ein Ereignis, so ein neues Fahrzeug abzuholen, das man wohl nur ein Mal in seiner Dienstzeit erlebt«, sagt Beck. Schließlich müsse das rund 300 000 Euro teure Fahrzeug gut ein Vierteljahrhundert halten. Auch Kommandant Klaus Beiser zeigt sich zufrieden: »Mit dem modernen geländetauglichen Fahrzeug sind wir jetzt auch für Spezialaufgaben wie Waldbrände gerüstet.« Offiziell soll das LF 10 am 8. November von der Gemeinde an die Feuerwehr übergeben werden. Bei dieser Gelegenheit wird es auch geweiht.
Video: Jessica Schober beim Lahrer Anzeiger
Doch schon vorher wollen heute alle das Vehikel bestaunen. Als der Wagen vor dem Feuerwehrhaus in der Schwedenstraße geparkt ist, kommen lauter neugierige Anwohner vorbei.
Ich selber staune darüber, wie lebhaft die Vereinskultur in Oberweier ist. Ein neues Feuerwehrauto ist hier wirklich Dorfgespräch. Ich sehe glänzende Männeraugen und bin begeistert von dem unermüdlichen Einsatz der Ehrenamtlichen. Mit ihren Piepsern am Hosengurt sind immer wieder im Alltag abrufbar und rücken selbst aus, um Ölspuren zu beseitigen. Über so viel Engagement zu berichten ist einer der Gründe, warum ich den Lokaljournalismus so liebe.
Und so bin ich froh, dass mich mein erster Blaulichteinsatz auf der Wortwalz sicheren Fußes nach Oberweier geführt hat. Mittlerweile fahre ich mit dem Motto, welches mir ein Wandergeselle in Kluft verriet, ganz gut: »Pläne sind gut, Termine sind schlecht.« Einen Besuch in Oberweier habe ich zwar nicht geplant, aber ich beschließe spontan zu bleiben. Bald merke ich, dass es hier für mich viel zu lernen gibt. In einer Stadt wie Lahr, in der es gleich drei Lokalzeitungen gibt, war ich bislang nicht Außerdem freue ich mich, den Schwarzwald kennenzulernen, in dem traditionell viele reisende Wandergesellen unterwegs sind. Mir ist es wichtig zu sagen: Ich bin keine echte Wandergesellin. Ich trage keine Kluft, gehöre zu keinem Gesellenschacht und bin auch keine drei Jahre lang unterwegs. Die Regeln der Walz wende ich bloß so gut es geht an, denn ich bin mir sicher: In jedem Beruf, in jedem Handwerk, kann man auch nach dem Ende seiner Ausbildungszeit noch etwas lernen.
Eine der kuriosesten Sachen, die ich nun ganz nebenbei bei meiner Fahrt mit den Feuermännern gelernt habe, werde ich so schnell nicht vergessen: Ein Paar Einmalhandschuhe für den Rettungseinsatz passt genau in die gelbe Verpackung eines Überraschungseis. So eines trug einer der Feuerwehrmänner in seiner Uniformtasche. Was für eine Überraschung!
Über ihre Erlebnisse auf ihrer Deutschland-Reise berichtet Jessica Schober auf ihrer Internetseite www.wortwalz.de
Persönlich: Jessica Schober
Die 26-jährige Journalistin Jessica Schober aus München geht diesen Sommer auf die Wortwalz. Ihr Handwerk hat sie an der Deutschen Journalistenschule gelernt, später als freie Reporterin gearbeitet. Seit einem Interview mit einer Bäckergesellin ist sie fasziniert von der Walz. Morgens nicht zu wissen, wo man abends aufwacht, das war für sie zunächst nur eine fixe Idee. Nun ist es seit zwei Monaten ist Alltag. Auf ihrem Blog www.wortwalz.de schreibt sie wöchentlich über ihre Erlebnisse. Für den Lahrer Anzeiger wird sie am Wochenende ebenfalls berichten.