Gang durch die Geschichte der Architektur in Lahr
Professor Heinz Kneile hat am Sonntag, dem Tag des offenen Denkmals, zu einem Stadtrundgang auf den Spuren der Umbrüche in der städtischen Architektur eingeladen. Im Fokus: die Entwicklung der vergangenen 200 Jahre, die Stadthäuser der Moderne.
Zum Einstieg ein Missverständnis. Heinz Kneile hatte bereits um 10 Uhr eine einsame Stadtrunde mit einem guten Freund gedreht. Die knapp 20 Zuhörer an der von der Stadt aber auf 11.30 Uhr angesetzten Führung mussten in der Kaiserstraße erst einmal warten, bis der Architektur- und Kunstprofessor an den Ausgangspunkt seiner Stadtführung zurückkehrte. Am Ende kamen aber auch sie in den Genuss eines aufschlussreichen Streifzugs durch die Stadtentwicklung seit der Zeit der französischen Revolution.
Als Ausgangspunkt der Führung diente das zwischen 1783 und 1790 fertiggestellte Stoesser-Fischer-Palais in der Kaiserstraße 37, ein wuchtiger, dreiflügeliger Repräsentationsbau, der von barockem und absolutistischen Denken geprägt noch immer die Einmündung der Schillerstraße in die Kaiserstraße beherrscht. Für Kneile bereits zur Zeit der Entstehung eine eher altmodische und rückwärts gewandte Bauform, die bei dem 1798 fertiggestellten »Palais Wunderlich«in der Kaiserstraße 62« schon sehr viel leichter daherkommt.
Heinz Kneile verwies auf die in der Zeit ansetzende Weiterentwicklung der Stadt, ihre Erweiterung im Westen und Osten, im Norden und Süden. Er packte den Entwicklungsplan des großherzoglich-badischen Baudirektors Friedrich Weinbrenner für die Dinglinger Vorstadt aus. Fortschrittlich, an durchgängigen Verkehrswegen orientiert, steht er nicht zuletzt für den Klassizismus des neuen Rathauses, der nächsten wichtigen Station des Rundgangs – repräsentativ und doch schlicht in der Formgebung.
Neue Wege
Es ging weiter zu ein paar Biedermeierhäusern in der Werderstraße, zur Luisenschule und dann die Marktstraße hinauf. Historismus und unterschiedliche Stilformen, das ursprünglich als Rathaus geplante Haus Nummer 32 und die Löwen-Apotheke. Das neobarocke Gerichtsgebäude, nur wenige Jahre vor dem ehemaligen Herrenbekleidungshaus von Adolf Friedmann in der Marktstraße 27 fertiggestellt. Die Jugendstilform ist hier klar erkennbar, die durchgängig verglaste Ladenfront im Erdgeschoss weist neue Wege, für das vor 100 Jahren begründete Bauhaus gibt es in der Innenstadt aber keine Beispiele. Hier wird eher die Gegenbewegung, einer von Kneile als »Heimatstil« bezeichneten Architektur, sichtbar, der Bezug zu altdeutschen Bauformen mit Fachwerk.
Der große städtebauliche Umbruch setzt in Lahr erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Entkernung und Verkehrserneuerung, neue Bank- und Geschäftshäuser, die ersten Hochhäuser und Supermärkte. Vieles wurde auf der Tour nur angerissen und beispielhaft aufgezeigt. Der mittlerweile einsetzende Regen sorgte ebenfalls dafür, dass der eine oder andere Weg abgekürzt wurde.