Ignorieren Sie den biestigen Rasen
Kein Kino und keine Kunst-Ausstellung. Kein Spielplatz und kein Schwimmbad. In der Corona-Zeit können bei Groß und Klein die freien Stunden schon mal lang werden. „Zuhause – und nun?“ Antworten für jedes Alter liefert täglich das Team des Lahrer Anzeigers. Dieses Mal gibt der freier Journalist Klaus Krüger einen Tipp.
In den ersten Corona-Tagen ging es los. Die Nachbarn hatten ihre Schockstarre überwunden, das Wetter war herrlich – was lag da näher als der eigene Garten? Hinter jedem Busch hockte ein Familienvater, grub, scharrte, pflanzte an. Ich dachte, Mann die sind ja klasse; als ob es darum gehe, einen Wettbewerb zu gewinnen.
Und das war es tatsächlich, ein Wettbewerb. Die Gärten in unserer Siedlung erstrahlten und erblühten, dass es eine Wonne war. Nun, an manchem hatten die Familienväter nur geringen Anteil, das machte die Natur schon selbst.
Das war übrigens genau meine Meinung beim Garteln: Lasst der Natur ihren Lauf. Das wächst schon, Eingreifen unnötig. Doch ich schaffte es nicht sehr lange, unseren Garten aus dem Wettbewerb herauszuhalten. An dem Tag, als uns die erste Fotoserie eines Nachbarn erreichte, die dessen Garten zeigte, war unsere Enthaltsamkeit zu Ende. Vor allem, weil kurz darauf der Nachbar rechts mit einer eigenen Serie konterte. Ich muss gestehen – es sah gut aus. Es war eine wunderschöne Art, sich die Zeit zu vertreiben und manche dunklen Corona-Gedanken gleich mit. Als meine Familie, bewaffnet mit Spaten, Rechen und Vertikutiergerät, in den Gartens schritt, spendete ich innerlich Beifall. In den Garten gehen, zum Arbeiten, darf ich schon seit Jahren nicht mehr, warum auch immer.
Die Familie hatte sich dazu entschlossen, eine schwärende Wunde zu schließen: Unseren Rasen, der mittlerweile zu 70 Prozent aus Moos besteht. Mit den Grundlagen, dem Rasen, beginnen und sich dann Stück für Stück in die Kronen der Bäume hochschrauben. So wollten sich die drei Gärtner den Sieg im Garten-Wettbewerb erobern.
Nach zwei Tagen war der Rasen untergepflügt, der neue Samen gesät und festgeklopft, alles gegossen. Es sah gut aus. Dann kam die Spatzen. Viele Spatzen, sehr sehr viele Spatzen.
Nun, mit diesem Rasen wurde es auch nichts. Wie seit 13 Jahren nicht. Meine Familie wird keinen Preis gegen die wundervoll blühenden Gärten der Nachbarn gewinnen – aber eine Tapferkeitsmedaille schon. Wenn Sie so etwas wie unseren Rasen im Garten liegen haben, ignorieren Sie ihn einfach. Er ist auch mit Moos grün. Konzentrieren Sie sich auf die schönen Ecken in Ihrem Garten – und machen Sie die noch ein wenig schöner. Das macht viel mehr Spaß. Und auf dem Foto sieht man ja sowieso nichts anderes.
Ach, so schlimm ist Gartenarbeit nicht, auch wenn sie mit körperlicher Anstrengung verbunden ist. Man kann seine Corona-Zeit schlechter zubringen. Also – ab in die Gärten!