Juliana Bauer informierte zum »Tag der jüdischen Kultur«
Anlässlich des »Tags der jüdischen Kultur« lud der Historische Verein Mittelbaden gestern in Lahr zum Stadtrundgang ein. Kulturhistorikerin Juliana Bauer informierte rund 40 Besucher über die Spuren, die die jüdische Kultur bis heute in der Stadt hinterlassen hat.
Ausgangspunkt für die rund 40 Besucher war bei strahlendem Sonnenschein der Storchenturm. Hier erklärte Kulturhistorikerin Juliana Bauer, dass das jüdische Leben in Lahr ab etwa 1300 seinen Ausgangspunkt hatte.
Stadtherr Walter von Tübingen zu Geroldseck habe – wie nicht wenige Adlige der Zeit – seinen enormen Finanzbedarf nicht zuletzt durch Kredite bei jüdischen Mitbürgern gedeckt. Juden waren viele Berufsfelder verwehrt, so dass sie sich auf die »freien Berufe« wie Ärzte, Kaufleute oder Geldverleiher konzentrieren mussten. Das Spannungsfeld bestand darin, »dass man die Juden einerseits brauchte, sie aber andererseits bei vielen Mitmenschen verhasst waren«, stellte Juliana Bauer dar.
1347 brach in Europa die Pest aus, rund ein Drittel der Bevölkerung des Kontinents starben. Die genaue Ursache blieb ein Rätsel, wurde aber vielfach den Juden in die Schuhe geschoben.
»In manchem Landstrich war dieses böse Gerücht schneller als die Pest selbst«, formulierte Bauer bitter. Pogrome waren die Folge, 1349 wurde in einer groß angelegten Adelsversammlung die Ausrottung der Juden beschlossen.
Das geschah in großem Stil, auch in Lahr fanden solche Pogrome statt, wie mehrere schriftliche Quellen belegen.
Juliana Bauer führte die Besucher an den Marktplatz. Zwischen Metzger- und unterer Lammstraße befand sich die ehemalige Judengasse, ehe die Straßen 1876 umbenannt wurden.
115 Juden zu Hochzeiten
Nach Errichtung des zweiten Stadtmauerrings bestand ab etwa 1330 für knapp zwei Jahrzehnte ein kleines jüdisches Viertel an dieser Stelle.
Nach den Pogromen existierte in Lahr rund 500 Jahre lang – bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – kein jüdisches Leben mehr in der Stadt. Erst das badische Freizügigkeitsgesetz (1862) änderte das wieder.
Juliana Bauer thematisierte die Schicksale verschiedener jüdischer Familien vor dem Hintergrund zunehmender Repressalien von Hitlers Terror-Regime, zum Beispiel Adolf Friedmann (Lammstraße), Carl Haberer, Selma Wertheimer (beide Urteilsplatz) oder auch Berthold Maier (Marktstraße).
Einigen Familien gelang die Emigration, andere fanden in den NS-Vernichtungslagern den Tod.
Im gleichen Zug ging Juliana Bauer auf das 1992 laufende »Stolperstein«-Projekt ein, in dessen Rahmen auch bereits 59 Gedenksteine in Lahr gesetzt wurden.
Weitere Stationen bildeten die Bismarckstraße, wo sich der 1888 eingerichtete Betsaal der jüdischen Kultusgemeinde befand und das »Judenhaus« (Schlosserstraße), in das viele jüdische Mitbürger nah der Reichspogromnacht 1938 verwiesen wurden.
Ihren Abschluss fand die informative Führung am Friedrich-Ebert-Platz. Hier erinnert ein Gedenkstein an die letzten 22 Juden Lahrs, die am 22. Oktober 1940 ins Vernichtungslager Gurs verschleppt wurden.
Zu den Hochzeiten zählte die jüdische Gemeinde Lahrs etwa 115 Personen, was etwa ein bis 1,2 Prozent der Bevölkerung ausmachte.