Kirchliches Arbeitsrecht noch zeitgemäß?

Dorothee Granderath (links) und Marina Pinzón-Becht diskutierten die Sonderbedingungen, die im kirchlichen Arbeitsrecht verankert sind. ©Jürgen Haberer
Für rund 1,3 Millionen Beschäftigte in Deutschland gilt das kirchliche Arbeitsrecht. Ob dieses noch zeitgemäß ist, hinterfragte am Sonntag eine Diskussion mit der Bundestagskandidatin der Grünen, Dorothee Granderath, und Marina Pinzón-Becht, Sprecherin des säkularen Arbeitskreises der Partei.
»Wer Grün wählt, stärkt die Rechte der Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen«, lautet die Botschaft des Faltblattes, mit dem der Arbeitskreis »Säkulare Grüne« in Baden-Württemberg für eine Streichung kirchlicher Privilegien im Arbeitsrecht wirbt. Der Ansatz des Arbeitskreises ist klar. Obwohl Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Kindergärten und Schulen in kirchlicher Trägerschaft zum Großteil aus Steuermitteln finanziert werden, gelten hier die Bestimmungen des kirchlichen Arbeitsrechts, das klare Richtlinien in Sachen Loyalität vorgibt und die Rechte von Arbeitnehmern in zentralen Punkten einschränkt.
Bereits beim Einstellungsgespräch wird nach Glaubenszugehörigkeit und persönlichen Präferenzen gefragt. Es gibt kein Streikrecht, Tarifverträge werden ohne gewerkschaftliche Beteiligung mit den eigenen Arbeitnehmervertretungen ausgehandelt. Nach Ansicht des Grünen-Arbeitskreises mag das angehen, wo es um die Verkündung der Glaubensbotschaft geht und um die Leitung einer kirchlichen Einrichtung. Seine Mitglieder sehen aber einen klaren Widerspruch zu demokratischen Prinzipien, zu einer Reihe von Grundrechten und dem Diskriminierungsverbot, wenn eine Krankenschwester, Bürokraft oder Putzfrau nicht eingestellt wird, weil sie konfessionslos ist, oder entlassen wird, weil sie zum zweiten Mal heiratet oder eine Familie ohne Trauschein gründet.
Gerade im ländlichen Bereich, wo Kindererziehung, Pflege und Gesundheitsversorgung überwiegend in kirchlicher Hand liegen, kommt das nach Ansicht von Bundestagskandidatin Dorothee Granderath und Arbeitskreis-Sprecherin Mariana Pinzón-Becht einem Berufsverbot für bestimmte Gruppen gleich. In der Praxis wird dabei oft eine Einstellung angeboten, wenn der Bewerber einem Kirchenbeitritt, einer Taufe zustimmt und dazu einen Obolus entrichtet, wie Mariana Pinzón-Becht aufzeigte. Beide Frauen bedauern, dass Gespräche seitens der Kirche abgelehnt würden und dass eine Abschaffung der Sonderregelungen im kirchlichen Arbeitsrecht wohl auch unter einer rot-grünen Regierung kaum zu erwarten sei.
Um so wichtiger sei es, kommunal aktiv zu werden, die Trägerschaft von Einrichtungen, die überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanziert werden, an die Einhaltung des allgemeinen Arbeitsrechts zu knüpfen. Mit einer umgekehrten Position setze genau dort der Diskussionsbeitrag von Günter Dägelmann, dem Bundesvorsitzenden der Mitarbeitervertretung der katholischen Kirchen, an. Wer die Loyalitätsrichtlinien der Kirchen ablehne, müsse die soziale Daseinsvorsorge eben ohne deren Unterstützung in kommunaler Trägerschaft organisieren.