Klinikum Lahr - „Wir arbeiten schon seit Jahren am Limit“
Thimo Giedemann, Verdi-Beauftragter am Klinikum Lahr, äußert sich zur aktuellen Lage. Die Corona-Pandemie habe verdeutlicht, dass das Klinikum keinerlei Reserven an Personal besitze.
Die Pflegekräfte am Ortenau-Klinikum seien am Limit. Die Perspektiven durch die Krankenhaus-Agenda auf Kreisebene drohten die Situation weiter zu verschärfen. Diese Befürchtung äußert Thimo Giedemann, Pfleger und Verdi-Beauftragter am Klinikum Lahr. Er fordert bessere Rahmenbedingungen, um mehr Menschen für den Job zu gewinnen.
„Wir arbeiten schon seit Jahren am Limit“, teilt Giedemann in dem Schreiben an die Presse mit. Die Corona-Pandemie habe verdeutlicht, dass das Klinikum keinerlei Reserven an Personal besitze. „Komplette Bereiche werden zum Teil geschlossen, um Personal konzentrieren zu können.“ Pflegekräfte von Normalstation würden fachfremd eingesetzt, was diese zusätzlich belaste. Ein großes Problem sieht Giedemann bei den Intensivfachpflegekräften, die seit mehr als einem Jahr unterbesetzt durcharbeiten müssten.
Ohne Hetze arbeiten
Der Verdi-Beauftragte wünscht sich, dass die Finanzierung im Gesundheitswesen komplett neu überdacht wird. „Warum sollen sich Krankenhäuser rechnen oder gar Profite abwerfen?“ Pflegekräfte müssten wieder so arbeiten können, wie sie es gelernt haben – „und nicht von Patient zu Patient und Zimmer zu Zimmer hetzen müssen“. In der Schweiz oder den Niederlanden müsse eine Pflegekraft pro Schicht statistisch nur halb so viele Patienten betreuen wie in Deutschland. Hierzulande sei die durchschnittliche Verweildauer einer Pflegekraft im Beruf derweil auf sieben Jahre geschrumpft. Ein Drittel der Pflegekräfte spiele mit dem Gedanken, den Beruf nach der Pandemie aufzugeben, teilt Giedemann mit Verweis auf aktuelle überregionale Umfragen mit.
Die Arbeitsbedingungen müssten schnellstens verbesser werden, um wieder mehr Menschen für den Beruf zu begeistern. Sonst drohe ein Kollaps in der Pflege. Dazu gehöre eine bessere Bezahlung mit flächendeckenden Tarifverträgen. Den Strukturwandel der Ortenauer Klinken sieht Giedemann kritisch. Durch die Konzentration an den verbleibenden Betriebsstellen werde ein Zusammenbruch des Gesundheitswesens in der Ortenau nur verzögert. Mittelfristig werde sich die Arbeit weiter verdichten und die Situation verschärft. Es gebe Mitarbeiter, die von der Kreispolitik enttäuscht seien, heißt es mit Verweis auf ein anonymes Zitat. Durch die geplanten Klinikschließungen und Rationalisierungen hätten Pflegekräfte Angst, ihren Job zu verlieren.
Über Bundesschnitt
Das Ortenau-Klinikum hatte in einer Pressemeldung Anfang Mai darauf verwiesen, dass rund 30 000 Stellen in der Pflege an deutschen Kliniken nicht besetzt seien. In dieser schwierigen Situation liege das Klinikum bei der Personalausstattung über dem Bundesschnitt, heißt es mit Verweis aus Zahlen aus dem Jahr 2019. Nach Erhebungen des Klinikverbunds Clinotel gelte dies auch für die Fluktuation der Pflegekräfte. „Das Ortenau-Klinikum verlassen weniger Pflegekräfte als dies in deutschen Kliniken durchschnittlich der Fall ist. Neben Austritten von Personal haben wir natürlich auch ständig Zugänge neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unsere Pflegeteams“, wurde der leitende Pflegedirektor Rick Pieger zitiert.
Als ein Anzeiger für die Qualität der Pflege gelte der Anteil der vollexaminierten Pflegekräfte an der Gesamtzahl der Mitarbeiter in der Pflege. „Im Jahr 2019 lag sie auf den bettenführenden Stationen in allen Häusern des Ortenau-Klinikums bei 92,58 Prozent.“ Die Pflegekräfte hätten eine sehr hohe Qualifikation und arbeiteten hochprofessionell, hieß es in der Pressemeldung. „Unsere Examiniertenquote ist deutlich höher als in vielen anderen Häusern“, so der leitende Pflegedirektor.