Stadt Lahr im Streit um Grafmüllers Grünstreifen
Die Stadt Lahr bereitet sich im Zusammenhang mit der Landesgartenschau auf einen langwierigen Rechtsstreit mit dem Grundstückseigentümer Werner Grafmüller vor. Noch in diesem Jahr könnte ein Antrag auf Enteignung gestellt werden.
Dass Eigentum verpflichtet und das Wohl vieler schwerer wiegt als das eines Einzelnen, wird an dem sich anbahnenden Rechtsstreit zwischen dem Lahrer Werner Grafmüller und der Stadtverwaltung deutlich. Der 78-jährige weigert sich mit Vehemenz, einen 2400 Quadratmeter großen Streifen Land an die Stadt abzutreten. Die möchte bekanntlich im Abschnitt zwischen Freiburger-, Otto-Hahn-, Römer- und Schwarzwaldstraße ihren »Bürgerpark« verwirklichen – jenen Teil der künftigen Landesgartenschau, der sich den Bereichen Sport und Freizeit widmen soll. Ein Sporthallenkomplex ist ebenso Teil des vom Gemeinderat befürworteten Bebauungsplans wie eine Kindertagesstätte mit Begegnungsräumen und der Nachbau eines römischen Streifenhauses.
Doch für all das will Grafmüller, der auch aus ganz anderen Gründen nicht gut aufs Rathaus zu sprechen ist, seinen Grund und Boden nicht hergeben: Er, heißt es, wünsche sich eine Hochschule oder ein Ärztehaus. Dass alle Versuche, den renitenten Rentner zum Einlenken zu bewegen, fehlgeschlagen sind, darüber unterrichteten am Freitag der städtische Justiziar Tobias Biendl und Stadtplanerin Sabine Fink die Presse im Rahmen eines »Hintergrundgesprächs«.
Laut Biendl hat die Stadt, nachdem der Zuschlag für die Landesgartenschau 2018 erteilt worden war, für 1,7 Millionen Euro 85 Grundstücke von 53 Eigentümern erworben. 18 Euro wurden pro Quadratmeter bezahlt. Grafmüller hätte also für seinen Streifen rund 43 000 Euro erhalten. Auch Grund und Boden an anderer Stelle sei ihm angeboten worden.
Deutlich ist: Ohne Grafmüllers Grünstreifen wird zumindest nichts aus den Plänen der Stadt, den Lahrer Sportlern ab 2019 einen Kunstrasenplatz zur Verfügung zu stellen. Außerdem würde eine unschöne Lücke im von Bäumen begleiteten »Saum der Philosophen«, einem Rundweg um den Bürgerpark, klaffen. Zwar werde auch über andere Varianten nachgedacht, aber »bisher gibt es keinen Plan B«, stellte Biendl klar. Ein Enteignungsverfahren, über das allerdings der Gemeinderat zu befinden hat, scheint daher unumgänglich. Eingeleitet werden kann es, sobald sich der Bebauungsplan in der Phase der Offenlage befindet. Und das wird noch in diesem Jahr sein.
Wer hat bessere Karten?
Ist die Enteignung beim Regierungspräsidium Freiburg beantragt, bereitet es eine »mündliche Verhandlung« vor. Sie kann bereits einen Monat später stattfinden. Wird keine Einigung erzielt, kann es zur Enteignung kommen. Die Chance, dass die Stadt Recht zugesprochen bekommt, sieht Biendl als sehr gut an. Zwar steht Grafmüller anschließend der Rechtsweg offen und er kann sich in einem Jahre dauernden Verfahren durch alle Instanzen bis zum Bundesgerichtshof klagen, allerdings würde die Stadtverwaltung dann vom Instrument der »vorzeitigen Besitzeinweisung« Gebrauch machen:
Hierbei bleibt Grafmüller formal Eigentümer, aber die Stadt kann trotzdem bereits die Bagger anrücken lassen, damit die Landesgartenschau nicht in Gefahr gerät. Schlimmstenfalls müsste sie das Grundstück dann wieder in seinen Ursprungszustand zurückversetzen, falls Grafmüller in höchster Instanz Recht zugesprochen bekommt. Vorteil für Grafmüller: Ihn kostet der Rechtsweg nur Nerven – das Honorar für seinen Anwalt hat der »Enteignungsbegünstigte«, also die Stadt Lahr, zu bezahlen. Vorzeitige Besitzeinweisungen seien nicht unüblich, sagt Biendl; ohne sie wäre zum Beispiel der Bau von Straßen überhaupt nicht möglich.
Sobald die Enteignung rechtskräftig ist, hat Grafmüller Anrecht auf Entschädigung – und zwar in Höhe des Verkehrswerts seines Grundstücks. Die von der Stadt gebotenen 18 Euro pro Quadratmeter müssten Biendls Einschätzung nach ausreichend sein. Allenfalls könnte Grafmüller noch etwas extra Geld als Entschädigung für den Baumbestand auf seinem Anwesen zugesprochen bekommen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, und die Stadt sei »nach wie vor verhandlungsbereit«, wie Biendl und Fink unisono betonten. Aber an eine Einigung, so viel war am Freitag spürbar, glaubt man im Rathaus schon lange nicht mehr.